Blog Demokratie heute
In unregelmäßigen Zeitabständen werde ich hier Gedanken, Vorschläge und Stellungnahmen über demokratische oder scheinbar demokratische Vorgänge äußern.
Vielleicht liest das jemand und schickt mir Kommentare, Zustimmungen oder Gegenargumente. Die Demokratie befindet sich nach meinen Feststellungen gerade im Umbruch. Junge Demokratien bemühen sich um die Stabilisierung der Institutionen, alte Demokratien stoßen an ihre Grenzen. Die Präsidialdemokratien haben Probleme mit der Gewaltenteilung, die repräsentativen Demokratien mit der Partizipation und der Repräsentanz und die direkten Demokratien mit der Kompliziertheit vieler Sachverhalte. Wohin geht die Entwicklung? Welche Rolle kann, soll und muss das Internet in Zukunft spielen?
Vielleicht finden wir ja gemeinsam einen Weg, unser Zusammenleben freundlicher, gerechter und im Einklang mit der Umwelt zu gestalten.
08. Februar 2020, 12:31 |
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Ist die Demokratie in Deutschland in Gefahr? |
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Ich habe mich längere Zeit nicht geäußert, weil ich den Eindruck hatte, dass außer den Robots niemand die Texte liest. Die Vorgänge bei der Wahl zum thüringischen Ministerpräsidenten lassen mir keine Ruhe.
Ich bin überrascht, dass die FDP in den Diskussionen um die Wahl in Thüringen so gut wie nicht vorkommt. Herr Lindner hat seinen Spruch "Lieber gar nicht regieren als falsch regieren" nur für die CDU angewendet. Für die AfD gilt offenbar für ihn "Lieber falsch regieren als gar nicht regieren." Der ganze Vorgang zeigt, dass die AfD jede parlamentarische Wahl kippen kann, indem sie irgendeinen Kandidaten unterstützt. Was passiert, wenn Herr Ramelow mit Stimmen der AfD gewählt wird? Ist das dann demokratisch in Ordnung? Kann die AfD Kandidaten zur Ablehnung der Wahl zwingen, indem sie mitstimmt, auch wenn ihre Stimmen gar nicht gebraucht werden? Weimar lässt grüßen. Wäre so ein Verhalten so staatsgefährdend, dass man die AfD verbieten könnte? Wohl nicht. Der Versuch, AfD-Wähler durch eine entsprechende Politik zurückzuholen, kann wohl als gescheitert angesehen werden. Was kann man darüber hinaus machen? In der Führungslehre wird propagiert, schwierigen Mitarbeitern Verantwortung zu übertragen, weil das am meisten entlarvt und entweder eine Wandlung herbeiführt oder die Follower desillusioniert werden. Um das anzuwenden, müsste das Verhältnis aller Parteien zur AfD neu überdacht werden. Linke und Grüne haben bewiesen, dass eine Ablehnung oder Verteufelung eher zur Steigerung der Wähler beitragen. Man kann keine Partei mit derart hohen Wahlergebnissen einfach in die Ecke stellen und hoffen, dass der Spuk vorübergeht. Höcke und Co sind keine dummen Menschen. Umso mehr irritiert die Vorgehensweise. Mit tatsächlichen Missständen, Halbwahrheiten und dreisten Lügen gelingt es ihnen die Unzufriedenen und Fehlgeleiteten für sich einzunehmen. Da hilft nur Entlarvung. Das erfordert Mut und Entschlossenheit anstatt eines wankelmütigen Herrn Lindner, denn die Demokratie in unserem Land kann sonst ernsthaften Schaden nehmen. |
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22. Januar 2019, 17:57 |
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Das Wahlrecht als Grundpfeiler der repräsentativen Demokratie |
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Ich habe mich bereits in früheren Beiträgen über verschiedenen Aspekte der Repräsentation in einer Demokratie geäußert, z.B. zur Frage der im Bundestag vertretenen Berufsgruppen und der Kandidatenauswahl oder über Problematiken durch Möglichkeiten der direkten Demokratie oder über die zu starke Segmentierung z.B. im Europaparlament (14 Parteien bei 96 Mandaten aus Deutschland) oder die sehr starke Betonung der Überhangmandate und dadurch die Ausweitung der Parlamente. Ein Beispiel ist die derzeitige Anzahl der Bundestagsabgeordneten. Auswirkungen der Überhangmandate zeigen sich auch bei der letzten hessischen Landtagswahl 2018. CDU und GRÜNE erreichten sämtliche Direktmandate und hatten schließlich im Parlament nur eine Mehrheit von einer Stimme.
Das Wahlrecht zum Bundestag ist nicht im Grundgesetz geregelt, sondern im Art. 38 wird auf ein Bundesgesetz verwiesen. Der Gesetzgeber hat sich bereits 1949 für ein personalisiertes Verhältniswahlrecht entschieden mit dem Schwerpunkt Verhältniswahlrecht, da man sich nicht auf ein Wahlrecht verständigen konnte. Die daraus entstehenden Probleme waren bereits mehrfach Gegenstand von Bundesverfassungsgerichtsverfahren. Es gibt zwar z.Z. 298 Wahlkreise, aber die Sitze im Bundestag werden nach den Landeslisten der Parteien durch die Zeitstimmen vergeben. Wenn eine Partei mehr Erststimmen als Zeitstimmen hat, muss kein direkt gewählter Kandidat zurücktreten, sondern andere Parteien erhalten Ausgleichsmandate. So hat der Bundestag z.Z. 709 anstatt 598 Abgeordnete, im Extremfall können es bis zu 800 werden. Eine Änderung kann nur der Bundestag durch ein entsprechendes Wahlgesetz herbeiführen. Bezüglich der Kandidatenauswahl hört man immer wieder, dass „die da oben“ keine Ahnung haben, wie es mir geht und was ich tatsächlich für Bedürfnisse habe. Diese Argumente könnten zumindest teilweise durch engere Kontakte der Gewählten zu ihren Wählern entkräftet werden. Dem steht allerdings die Zeitökonomie entgegen. Für einen Abgeordneten ist die Parteiarbeit sehr viel wichtiger, denn nur, wenn er wieder als Kandidat auf einem guten Listenplatz aufgestellt wird, hat er eine Chance, wiedergewählt zu werden. Ein Ausweg aus dem Dilemma könnte ein Mehrheitswahlrecht wie z.B. in den USA, in Frankreich oder in Großbritannien sein. Dort ist zwar der Kontakt zwischen Gewählten und Wählern sehr viel intensiver und die Mehrheitsverhältnisse in den Parlamenten sind sehr viel deutlicher, aber der wesentliche Nachteil ist, dass durch unterschiedliche Ergebnisse in den Wahlkreisen ggf. die Mehrheit der Stimmen nicht mit der Mehrheit im Parlament übereinstimmen (the winner takes it all). So hatte z.B. die Konservative Partei 2017 in Großbritannien 48,9% der Sitze aber nur 42,4% der Stimmen oder noch extremer bei der Wahl 2005, da hatte Labour 55% der Sitze aber 35% der Stimmen. Parlamente, die aus dem Mehrheitswahlrecht hervorgehen, zeigen häufig klare Mehrheiten, sind aber weniger flexibel und reformfreudig und der Einfluss der Parteien ist geringer. Ein Beispiel bieten die Abstimmungen im britischen Unterhaus am 16. Und 16.01.2019. Der von der Regierung vorgeschlagene Brexit-Vertrag wird abgelehnt, anschließend wird die Regierung im Amt bestätigt. Als Ausweg könnte sich aus einem reinen Verhältniswahlrecht wie bei der Wahl zum Europäischen Parlament (da ist es im EU-Vertrag festgelegt) ergeben. Was würde das bedeuten? Trotz 5%-Klausel könnte sich die Zahl der Parteien noch vergrößern, die Volksparteien würden kleiner oder verschwinden und eine auf der Mehrheit im Bundestag basierende Regierungsbildung würde erheblich erschwert. Im Medienzeit alter würde es eine Programmpartei schwer haben, sich durchzusetzen. Eine Lösung könnte sein, dass sich für den Wahlkampf bereits „Koalitionen“ bilden. Das heißt, dass sich Programmparteien schon vor der Wahl auf ein Regierungsprogramm verständigen. Als Anreiz könnte man ein auf die Wahlergebnisse basierendes Bonussystem für solche Bündnisse einführen. Der Vorteil wäre, dass sich Parteien ihre Differenzierung im Programmbereich erhalten können und trotzdem zu einer Mehrheit beitragen können. Neben der möglichen Vermehrung der Parteien hätte das reine Verhältniswahlrecht auch den Nachteil, dass die Parteien zu viel Einfluss hätten und die Abgeordneten kaum Kontakt zu den Bürgern suchen würden. Wahrscheinlich ist das bestehende Mischsystem doch vorteilhaft, allerdings sollten die übermäßigen Überhangmandate eingeschränkt werden. Gibt es weitere Vorschläge? |
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22. Januar 2019, 15:36 |
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Und wo bleibt das Positive, Herr Kästner? |
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Erich Kästner hat 1930 ein Gedicht mit diesem Titel geschrieben. Er beschreibt darin, dass er immer wieder diese Frage gestellt bekommt, aber er ist der Meinung, dass die Realität nicht mehr hergibt. „Die Zeit ist schwarz, ich mach euch nichts weis.“ Nun will ich mich weder mit Kästner vergleichen noch die heutigen Zeiten mit 1930. Aber mir fiel beim Lesen älterer Beiträge auf, dass vieles von mir doch zum Teil übertrieben kritisch dargestellt wurde. Ich habe das gemacht, weil ich hoffte, dadurch würde ich Diskussionen anregen. Das ist jedoch nicht eingetreten. Deshalb werde ich mich künftig mehr auf das „Positive“ konzentrieren, will sagen, schon auch Probleme ansprechen, aber dann mehr Gewicht auf Lösungsansätze legen.
Um etwas zu verändern, muss man sich einbringen. Das will ich mit meinen Möglichkeiten tun. Vielleicht verirrt sich doch mal jemand in den blog und nimmt ein paar Anregungen mit. Zwei Themen bewegen mich im Augenblick besonders. Das sind zum einen die Zukunft der Europäischen Union und zum anderen das Wahlrecht als Basis für die repräsentative Demokratie. |
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30. November 2018, 13:10 |
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Verantwortung ist unteilbar |
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Vorweg – ich bin Merkel-Fan und sicher, dass Frau Merkel als eine der besten Bundeskanzler in die Geschichte eingehen wird, getreu dem Motto „Viel Feind viel Ehr“. Den Spruch „Die Merkel muss weg!“ finde ich deshalb auch unsäglich, aber dennoch muss man sich ernsthaft damit auseinandersetzen. Nicht weil sie angeblich die Grenzen geöffnet hat – lächerlich, die Grenzen waren 2015 offen, ebenfalls davor und danach – und auch nicht, weil sie dem Amt nicht gewachsen wäre, sondern weil sie zu wenig allgemeinverständlich mit dem nötigen medialen Aufwand kommuniziert und weil sie in Personalfragen zu nachsichtig ist. Die Menschen spüren, dass da eine mächtige Frau an der Spitze unseres Staates steht und sind ärgerlich, dass sie von dieser Macht zu wenig Gebrauch macht.
Ich nenne ein paar Beispiele, von denen gesagt wird „so ist eben die Politik“. Der Außenminister ist mit seiner neuen Freundin öfter in der Yellow Press als in politischen Kommentaren. Die intensive Reisetätigkeit führt zu nichts, außer zur Beschädigung der Regierungsmaschine durch Überlastung. Ich will von den Kapriolen des Innenministers nur die letzte aufführen, nämlich das Servieren von Schweinefleisch auf der Islamkonferenz. Die Bundesverteidigungsministerin hat ihren Laden nun wirklich nicht im Griff. Erst stellt sie eine ehemalige Unternehmensberaterin als Staatssekretärin ein mit der Folge, dass Unternehmensberatungen mit Berufsanfängern die Bundeswehr und alle zuständigen Behörden fluten. Von der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr bis hin zur Kanzlermaschine am 29.11.2018 gar nicht zu reden. Oder einem Gesundheitsminister, der nur Luft in Tüten in Form von vagen Ankündigungen verkauft. Bis hin zu einem Wirtschaftsminister, der sich über schlechte Mobilfunkverbindungen beschwert, für die er selbst zuständig ist. Nun kann man sagen „Was hat die Kanzlerin damit zu tun?“ Antwort: siehe Überschrift. Die Kritik eines Ministers oder gar seine Entlassung hat nichts mit dessen Redlichkeit oder guten Absichten zu tun, sondern mit der Beurteilung dessen, was hinten rauskommt, wie Kohl zu sagen pflegte. Der Alte Fritz, der seine Soldaten über alles schätzte. Hat mal einen hochdekorierten Offizier entlassen, weil der in einer Schlacht einen Fehler gemacht hatte. Als er mit Entsetzen gefragt wurde, warum er das gemacht hätte, antwortete er schlicht „Er hatte keine Fortune“. Wir haben uns zu sehr daran gewöhnt, Leistung daran zu messen, dass sich jemand Mühe gegeben hat. Das wird uns nicht weiterbringen. Frau Merkel hat nach dem verhinderten Flug zum G 20 Gipfel am 29.11.2018 die Besatzung des flugunfähigen Gerätes gelobt. Das hätte ich nach überwundenen Todesangst wahrscheinlich auch gemacht. Aber jetzt müssen wirklich Taten folgen. Frau Merkel ist nun mal unser bester Werbeträger, nachdem uns die Finanzwirtschaft und die Autoindustrien bis auf die Knochen blamiert haben, von der Bauwirtschaft mit Flughafen, Elbphilharmonie und Bahnhof Stuttgart gar nicht zu reden. Bitte Frau Merkel, lassen Sie uns nicht hängen. |
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19. November 2018, 11:22 |
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Sisyphos lebt!! |
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Ich habe beim Schreiben meines Blogs „Demokratie heute“ eine längere Pause gemacht und darüber nachgedacht, ob das schriftliche Nachdenken irgendeinen Sinn macht. In 15 Monaten habe ich 32 Artikel geschrieben und nicht eine einzige Rückmeldung erhalten. Dabei fand ich einiges eigentlich für ganz gut geeignet, eine Diskussion zu beginnen. Es liegt sicherlich daran, dass die allermeisten der über 77.000 Besucher Computer-Programme waren. Ich will mich nicht beklagen, dass die wenigen Personen, die die Texte gelesen haben, stumm geblieben sind, ich stelle es nur fest. Ich habe mich dennoch entschlossen, weiter zu schreiben und den Stein immer wieder den Berg hochzurollen, weil mir das Thema zu wichtig ist.
Der zweite Grund für meine Pause waren auch aktuelle Ereignisse. Demokratie hat bekanntlich damit zu tun, Mehrheiten für die eigene Meinung oder für Vorhaben, die man für wichtig und richtig hält, zu finden. Bei der öffentlichen Meinungsäußerung scheint es gar nicht mehr darauf anzukommen. Minderheiten und Randgruppen geben die Themen und die Stimmungslage vor. Soziale Netzwerke leisten die Plattform dafür und die veröffentlichte Meinung erreicht dadurch Beachtung und Quote. Die, die die Spaltung der Gesellschaft beklagen, tragen zu einem Großteil durch die veröffentlichte Meinung dazu bei. Es gab mal eine Ethik für Veröffentlichung - saubere Quellen, Bestätigung durch eine zweite Quelle usw. Das spielt alles keine Rolle mehr, Hauptsache schnell und laut. Und wenn man erwischt wird wie z.B. die Bildzeitung, heißt es "Die zweite Quelle stand am Wochenende nicht zur Verfügung." und die meisten sagen dann "Ach so!" Die Wahrheit spielt keine Rolle mehr – der amerikanische Präsident hat in zwei Jahren Amtszeit im Durchschnitt 7 Mal am Tag gelogen – und wenn man erwischt wird, stellt man sich ahnungslos wie z.B. die AfD bei den Parteispenden, hat sich geirrt oder sagt wie Herr Trump „Aber es könnte so sein.“ Ich glaube nicht, dass ich der einzige bin, den das stört, aber ich habe den Eindruck, dass die schweigende Mehrheit glaubt, selbst zu einer Randgruppe geworden zu sein, da die anderen so lautstark sind und so große Beachtung finden. Deshalb mache ich weiter. Selbst auf die Gefahr, als Don Quichotte zu gelten. Damit kann ich leben, vor allem seit ich gesehen habe, dass die Mühle meiner Vorfahren keine Flügel mehr hat und zu Wohnzwecken umgebaut wurde. |
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23. Mai 2018, 18:01 |
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Ist die repräsentative Demokratie in Gefahr? |
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Diese Frage wird immer mal wieder im Angesicht von geringen Wahlbeteiligungen gestellt. Bei der Landratswahl im Hochtaunuskreis haben sich am 28.01.2018 weniger als 30% der Wähler beteiligt. Es wären noch weniger gewesen, wenn nicht in einer Stadt zusätzlich der Bürgermeister gewählt worden wäre. Stellt sich die Frage nach sinnvollen Kombiwahlen.
Die Frage wird auch im Zusammenhang mit den Regierungsbildungsversuchen im Bund gestellt. Da gibt es gewählte Repräsentanten, die nach den Verhandlungen kleine und große Parteitage und sogar alle Mitglieder fragen, ob sie richtig verhandelt haben. Sehnen wir uns nach direkter Demokratie? Trauen wir unseren gewählten Repräsentanten nicht mehr? Grund gäbe es allemal, denn es entsteht oft der Eindruck, dass die Gewählten oft nach der Wahl etwas anderes sagen als vor der Wahl. Aber spricht das gegen das System oder doch eher gegen die Repräsentanten? Aber ist die direkte Demokratie die Lösung? Es wäre müßig, die Probleme der hochgelobten Schweiz anzuführen und da funktioniert es immer noch am besten. Es gibt aber auch für deutsche Wähler genügend Möglichkeiten, sich zu äußern, von der Bürgerinitiative auf Ebene der Europäischen Union über die Volksentscheide in den Bundesländern bis zu den Bürgerentscheiden in den Kommunen oder auch der Volksentscheid gem. Art. 29 Abs. 2 des Grundgesetzes auf Bundesebene. Hinzu kommen Befragungen, Bürgerversammlungen und Petitionen sowie Bürgerhaushalte. Welche Erfahrungen liegen vor? Pauschal gesagt keine guten. Die Beteiligungen sind gering, oft zu gering. Die Nichtraucher-Initiative in Bayern wird von den Befürwortern der direkten Demokratie angeführt, der Volksentscheid gegen die Schulreform in Hamburg von den Gegnern. Ein Beispiel aus der Stadt, in der ich zusammen mit etwas über 50.000 Einwohnern seit über 30 Jahren lebe. Vor Jahren sollte ein Parkhaus abgerissen und durch ein neues in Verbindung mit der öffentlichen Bücherei ersetzt werden. Das verhinderte ein Bürgerentscheid mit einem 5-jährigen Moratorium. Ergebnis: das Parkhaus wurde wegen Baufälligkeit geschlossen, heute steht dort ein Wohnhaus. Heute gibt es rund 20 Parkhäuser und Parkplätze mit häufigen Leerständen, plus Parkhäuser der Banken und großen Firmen. Immerhin wurde eine Überkapazität erreicht. Wenn die direkte Demokratie nicht greift, was dann? Es muss gelingen, die repräsentative Demokratie auch tatsächlich repräsentativ zu gestalten. Kann man die Bürger eines Landes in einem Parlament abbilden? Ganz sicher nicht, aber man kann es versuchen. Wenn ich mit den derzeitigen aufgeblähten Bundestag mit 709 Abgeordneten ansehe, dann werden schnell die Mängel deutlich. Die Gruppe der Akademiker und dabei die Juristen (157), Ökonomen (115) und Gesellschaftswissenschaftler (91) sind deutlich überdurchschnittlich vertreten. Kaufleute (36) und Handwerker (37) sind immerhin überhaupt im Parlament, 20 waren Beamte, 53 Lehrer und 24 ohne einen klassischen Abschluss. Das Erschreckende ist jedoch, dass 94 von 709 Abgeordnete außer dem Studium und Parteiarbeit als Assistent o.ä. keine anderen Erfahrungen gesammelt haben. Bei den Grünen und Linken liegt dieser Anteil über 30%. Es stellt sich die Frage, ob bei der Kandidatenauswahl Auflagen gemacht werden können, so dass möglichst viele Gruppen berücksichtigt werden. Die tatsächliche Wahl wird allerdings Änderungen herbeiführen. Inwieweit Vorwahlen bei der Kandidatenauswahl sinnvoll sind, sollte diskutiert werden. Es ist eine Annäherung an die direkte Demokratie und könnte den Abstand zwischen Wählern und Gewählten verringern. Dabei könnte auch der zu starke Einfluss der Parteien etwas zurückgedrängt werden. Die Mandatsträger fühlen sich heute sehr viel mehr den Parteiführungen verbunden als den Wählern. Um die genannten Maßnahmen wirksam werden zu lassen, ist in jedem Fall die Änderung unseres Wahlrechts erforderlich. Der Sinn des modifizierten Verhältniswahlrechts hatte den Grund, neben direkt gewählten Abgeordneten den Parteien die Möglichkeit zu geben, Spezialisten und besonders wichtige Personen über die Landesliste in das Parlament zu bringen. Inzwischen hat sich die Regelung so verändert, dass die Zweitstimmen allein zählen und durch Ausgleichmandate Erststimmenerfolge ausgeglichen werden, wodurch der Deutsche Bundestag anstatt der vorgesehenen 598 nun 709 Abgeordnete hat. Wichtiger als die Bekanntheit beim Wähler ist für Kandidaten ein Wohlverhalten in der Partei. Dadurch werden interessante Politiker abgeschreckt und für Seiteneinsteiger ist das Anstreben eines politischen Amtes völlig illusorisch. Aus diesem Dilemma würde nur die Änderung des Wahlrechts führen. Da sich die Parteien in dem jetzigen System eingerichtet haben und nur die eine Änderung durchführen könnten, ist da leider nichts zu erwarten. Es ist das gleiche Problem wie beim Europäischen Parlament. Da liegt Deutschland bei den Unzulänglichkeiten auch ganz vorn. Die derzeit 96 Parlamentsplätze werden von 14 Parteien besetzt. Ich möchte nicht nur kritisieren, sondern auch einen konstruktiven Vorschlag machen. Es gibt weiterhin 298 Wahlkreise mit den Direktmandaten. Allerdings kann nur dieser gewählt werden. Bei nur einer Stimme entfällt das Stimmensplitting, was ohnehin etwas abwegig ist. Warum soll ich zwei verschiedene Parteien wählen können? Die Stimmen werden wie bisher die Zweitstimmen auf die Landeslisten verteilt. So ergeben sich zwei Mal 298 Abgeordnete. Eine Sperrklausel und Überhangmandate wären nicht erforderlich. Ich habe mir mal das Wahlergebnis 2017 angesehen und die Erststimmen wie Zweitstimmen verteilt, und zwar bezogen auf 298 Wahlkreise. Danach hat die CDU/CSU mit großem Abstand die absolute Mehrheit. Das kann jedoch nicht als repräsentativ angesehen werden, da natürlich alle Parteien ihre Vorgehensweise ändern würden, denn vor allem die kleineren Parteien haben heute ihre Aktionen hauptsächlich auf die Zweitstimmen abgestellt. Leider bleibt der Vorschlag ungehört, weil - siehe oben- keine Partei eine Änderung herbeiführen will. Dann doch lieber die repräsentative Demokratie an die Wand fahren. Es erscheint sinnlos, über mehr Bürgerbeteiligung unter Nutzung der neuen Medien zu diskutieren. Zwar soll das Internet ausgebaut werden, aber außer Kommunikation in zum Teil bedenklicher Art und Weise und Shopping ist für den Bürger nicht sehr viel angedacht. |
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