Blog Demokratie heute

In unregelmäßigen Zeitabständen werde ich hier Gedanken, Vorschläge und Stellungnahmen über demokratische oder scheinbar demokratische Vorgänge äußern.


Vielleicht liest das jemand und schickt mir Kommentare, Zustimmungen oder Gegenargumente. Die Demokratie befindet sich nach meinen Feststellungen gerade im Umbruch. Junge Demokratien bemühen sich um die Stabilisierung der Institutionen, alte Demokratien stoßen an ihre Grenzen. Die Präsidialdemokratien haben Probleme mit der Gewaltenteilung, die repräsentativen Demokratien mit der Partizipation und der Repräsentanz und die direkten Demokratien mit der Kompliziertheit vieler Sachverhalte. Wohin geht die Entwicklung? Welche Rolle kann, soll und muss das Internet in Zukunft spielen?

Vielleicht finden wir ja gemeinsam einen Weg, unser Zusammenleben freundlicher, gerechter und im Einklang mit der Umwelt zu gestalten.


04. Juni 2018, 11:46

Des Kaisers neue Kleider


Der Chefredakteur von t-online.de, Florian Harms, schreibt heute zum Skandal um das BAMF „Aufklärung bitte!“ und möchte wissen, was Herr Weise Frau Merkel damals und heute erzählt hat. Haben das nicht alle interessierten BürgerInnen schon damals und heute gewusst? Ich komme mir vor wie auf einer Parteiversammlung oder einer Fraktionssitzung, wo das Bonmot die Runde macht: “Es ist schon alles gesagt, aber noch nicht von jedem!“ Natürlich müssen Fehlverhalten und Betrug aufgeklärt und geahndet werden. Aber das ist Sache der Justiz und nicht der Parlamente.

Grüne und Linke bemühen gar Hans Christian Andersen, der herausfand, dass der Kaiser solange nicht nackt ist, bis es einer sagt. Kontrolle der Exekutiven durch die Parlamente oder checks and balances wie die Amerikaner sagen, ist ein wichtiges Element der Demokratie, wenn nicht das wichtigste. Wenn diese wichtige Funktion aber missbraucht wird, um Personen und Institutionen herabzusetzen und mit Tricks und Finten etwas vorzuspielen, was gar nicht vorhanden ist, sollten wir wirklich die Sinnfrage stellen.

Es ist inzwischen zur Gewohnheit geworden, Frau Merkel für alles und jedes verantwortlich zu machen. Die Strategie von AfD und Pegida scheint aufzugehen. Allerdings gehen die Argumente völlig an der Verfassungswirklichkeit vorbei. Artikel 65 des Grundgesetzes besagt nämlich, dass der (die) Bundeskanzler (in) die Richtlinien der Politik bestimmt, dass aber „jeder Bundesminister seinen Geschäftebereich selbständig und unter eigener Verantwortung“ leitet. Das hat nichts mit Frau Merkel zu tun, sondern gilt schon seit 1949. Die meisten Menschen, die sich mit dem Grundgesetz beschäftigen, kommen wahrscheinlich nicht über die Grundrechte in den Artikeln 1-19 nicht hinaus.

Bleibt noch der Wissensdurst von Herrn Harms. Er war seit 2004 Redakteur und in leitender Funktion beim Spiegel und ist seit 2017 bei t-online.de. Sollte er so gesetzestreu sein, dass er das Wissen aus der Spiegelzeit beim Verlassen dort an der Garderobe abgegeben hat? Da sind wir wieder bei der Geschichte „Mann beißt Hund“, auch wenn es umgekehrt war.

Redakteur




 

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