Blog Demokratie heute

In unregelmäßigen Zeitabständen werde ich hier Gedanken, Vorschläge und Stellungnahmen über demokratische oder scheinbar demokratische Vorgänge äußern.


Vielleicht liest das jemand und schickt mir Kommentare, Zustimmungen oder Gegenargumente. Die Demokratie befindet sich nach meinen Feststellungen gerade im Umbruch. Junge Demokratien bemühen sich um die Stabilisierung der Institutionen, alte Demokratien stoßen an ihre Grenzen. Die Präsidialdemokratien haben Probleme mit der Gewaltenteilung, die repräsentativen Demokratien mit der Partizipation und der Repräsentanz und die direkten Demokratien mit der Kompliziertheit vieler Sachverhalte. Wohin geht die Entwicklung? Welche Rolle kann, soll und muss das Internet in Zukunft spielen?

Vielleicht finden wir ja gemeinsam einen Weg, unser Zusammenleben freundlicher, gerechter und im Einklang mit der Umwelt zu gestalten.


28. Januar 2019, 23:35

Ist ein Shutdown auch in Deutschland möglich?

Grundsätzlich kann es ebenfalls in Deutschland zu Haushaltssperren kommen und dies ist auch auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene bereits mehrfach vorgekommen, allerdings sind Personalkosten davon expressis verbis ausgenommen. Es ist gesetzlich eindeutig vorgegeben, in welchen Fällen die bereits erteilte Genehmigung von Ausgaben zurückgezogen werden kann. Es handelt sich in erster Linie um fiskalische Maßnahmen.

Anders verhält es sich mit dem Shutdown in den USA. Der Kongress – also der Senat und das Repräsentantenhaus beschließen den jährlichen Haushalt. Dagegen hat der Präsident ein Vetorecht, das mit einer 2/3-Mehrheit des Kongresses überstimmt werden kann. Kommt kein Haushalt vor Beginn des Jahres zustande, beginnt die Haushaltssperre, also der Shutdown für alle nicht „unerlässlichen Ausgaben“.

Die Grundlage für dieses Verfahren ist bereits im Wahlrecht angelegt. Anders als in der parlamentarischen Demokratie geht die Regierung einer präsidentiellen Demokratie nicht aus dem Parlament hervor, sondern wird durch Mehrheitswahlen direkt gewählt. Der direkt gewählte Präsident ist dem Parlament gegenüber nicht verantwortlich, wird aber von diesem kontrolliert. Das zeigt eine ganz andere Legitimationsstruktur.

Ähnliche Erscheinungen sind auch in anderen Ländern mit Mehrheitswahlrecht zu beobachten. So ernennt der direkt gewählte Präsident in Frankreich die Regierung ohne Beteiligung des Parlamentes. Allerdings kann nur das Parlament die Regierung abwählen. In Großbritannien wird der/die Vorsitzende der Mehrheitspartei ohne Beteiligung des Parlamentes von der Königin zum Premierminister ernannt. Eine Abwahl wird durch den Verlust der Mehrheit oder einen neuen Parteivorsitzenden eingeleitet.

Es ist sehr schwierig, zu entscheiden, mit welcher Methode eine Repräsentation des Volkes erreicht werden kann. Gerade die letzten Entwicklungen in der USA, dem UK und in Frankreich haben gezeigt, dass das „Volk“ nach der Wahl oder Abstimmung mit den Ergebnissen nicht immer glücklich ist.

Liegt das am Wahlsystem?

Redakteur




23. Mai 2018, 17:58

Anmerkungen zum Kapitel Europa im Sondierungspapier von CDU/CSU und SPD

Am 12.01.2018 haben CDU, CSU und SPD die Ergebnisse der Sondierungsgespräche zur Bildung einer Bundesregierung veröffentlicht. Drei der 27 Seiten befassen sich mit der Europäischen Union. In vier Kapiteln sind mit 27 Untergliederungen Absichtserklärungen und Forderungen aufgeführt. Zum größten Teil sind es entweder Vorhaben, die von Deutschland nur sehr gering beeinflusst werden können (z.B. Mindestlohnregelungen sowie … nationale Grundsicherungssysteme in den EU- Staaten), oder solche, die Plattitüden wiedergeben (z.B. Unternehmen dürfen … die Staaten der EU nicht gegeneinander ausspielen), oder die völlig an der Realität vorbeigehen (z.B. Wir wollen mit einer kohärenten Afrika-Strategie die Zusammenarbeit mit Afrika auf allen Ebenen ausbauen).
Es ist wahrscheinlich nicht möglich und auch nicht nötig alle Merkwürdigkeiten zu kommentieren, aber einige Punkte möchte ich mit Anmerkungen versehen. Da ist zunächst die Forderung, den Einfluss des Europäischen Parlamentes (EP) zu stärken. Viele Möglichkeiten dafür liegen beim EP selbst. Im Vertrag von Lissabon sind nur die Gesamtanzahl der Abgeordneten, die Mindest- und Höchstmenge der Abgeordneten pro Land und die degressiv proportionale Aufteilung festgelegt. Die Verhältniswahl als Wahlsystem geht aus der Richtlinie 2002/772/EG hervor. Alles andere kann vom EP selbst beschlossen werden. Leider fühlt sich das EP dazu nicht in der Lage. Es gibt z.B. kein Wahlrecht zum EP, das müsste von diesem beschlossen werden. Das führt dazu, dass viele Mitgliedstaaten voneinander abweichende Systeme haben. Das bezieht sich sowohl auf das Wahlalter, den Wahltag, das Auszählungsverfahren und die Sperrklausel.
Das EP könnte auch den Einfluss vergrößern, wenn es vom Vorschlagsrecht gem. Art. 225 AEUV mehr Gebrauch machen würde. Das Argument der Behinderung durch das Initiativmonopol der Kommission trifft nur sehr bedingt zu. Eher hinderlich ist der fehlende Wettbewerb zwischen eine Regierungskoalition und einer Opposition.
Sehr unbefriedigend sind die Beteiligungen des EP am Rechtsetzungsprozess. Das ist allerdings im Vertrag so vorgesehen. In den Jahren 2008, 2011 und 2014 war das EP bei weniger als 10% der Rechtsakte beteiligt. Nicht berücksichtigt sind hierbei die Sachverhalte, die von der Europäischen Kommission allein entschieden werden können. Diese Vorgänge werden von keinem Gremium überprüft, sondern gehen unmittelbar in den nationalen Geschäftsgang. Sie werden im Amtsblatt, dem „Bundesgesetzblatt“ auf europäischer Ebene veröffentlicht.
Das leitet über zu dem zweiten Themenbereich, auf den ich weiter eingehen möchte. Es wird in dem Sondierungspapier gefordert, Europa bürgernäher und transparenter zu machen und dadurch neues Vertrauen zu gewinnen. Die Intransparenz hat mehrere Ursachen. Da ist zunächst das Problem, dass der Bürger nicht erkennen kann, welche Entscheidungen von der Kommission getroffen wurden. Erscheint das Ergebnis positiv, reklamiert die jeweilige nationale Regierung die Entscheidung für sich; im umgekehrten Fall wird auf die EU verwiesen(„Brussels bashing“). Tatsache ist, dass außer den Vorgängen mit alleiniger Zuständigkeit der Europäischen Kommission immer und in jedem Fall die Nationalstaaten beteiligt sind. Es wäre der erste Schritt, um Vertrauen zu gewinnen, dass man jede Entscheidung der EU, die sich in einem Mitgliedstaat auswirkt, als EU-Entscheidung kennzeichnet. Außerdem muss das Wahlsystem des EP so geändert werden, dass es demokratischen Grundsätzen entspricht, indem zum Beispiel alle Stimmen gleich sind. Dann könnte auch das EP mehr an Entscheidungen beteiligt werden. Gemäß Vertrag von Lissabon gibt es je nach Politikfeld 64 Entscheidungsarten, an denen das EP 12 Mal beteiligt ist, von den 358 Entscheidungsmöglichkeiten kann das EP 202 nutzen. Das System der EU ist nicht im eigentlichen Sinne demokratisch, da die Administration übermäßigen Einfluss hat und wesentliche Entscheidungsträger die nationalen Exekutiven sind. Man spricht daher auch von einem Mehrebenen-System, da nicht die Bürger sondern die Staaten Mitglieder der EU sind. Schließlich nehmen die meisten nationalen Parlamente, so auch der Deutsche Bundestag, die im Vertrag von Lissabon neu eingeräumten Kontrollrecht nur bedingt wahr.
Das wird am dritten Punkt besonders deutlich. Wie bereits erwähnt, entscheidet die Europäische Kommission bei alleiniger Zuständigkeit völlig autark. Bei allen anderen Vorgängen werden immer die nationalen Regierungen und Parlamente sowie das EP und die Räte mit einem Vorschlag informiert. Das bedeutet, dass selbst die Mitteilungen, Informationen und Berichte neben den Richtlinien, Beschlüssen und Verordnungen vor dem Erlass geprüft und kommentiert werden können. Im Extremfall können die nationalen Parlamente ein geplantes Vorhaben sogar zum Scheitern bringen. Im Rahmen meiner Dissertation habe ich die Reaktionen des Deutschen Bundestages für das Jahr 2011 analysiert (siehe Listen, Dokumente und Tabellen nach dem Blog). Das Ergebnis war, dass von den 874 Vorgängen nur 410 in einem oder mehreren Ausschüssen nichtöffentlich besprochen wurde. Davon kamen 18 auf die Tagesordnung des Deutschen Bundestages, von denen 4 ohne Aussprache verabschiedet wurde, zehn Mal waren die Redebeiträge zu Protokoll genommen worden und nur gab es eine öffentliche Debatte – von 874. Nicht einmal der Entwurf einer Verordnung zum Europäischen Kaufrecht, der vom Bundestag gerügt wurde, wurde im Plenum diskutiert.

Redakteur




23. Mai 2018, 17:48

Politische Korrektheit

Die Beurteilung, was politisch korrekt ist und was nicht, ist eine willkürliche Zensurmethode, mit der Minderheiten versuchen, Einfluss auf die politische Debatte zu nehmen. Wer entscheidet, dass ich geil, Scheiße, Arschloch oder ficken öffentlich sagen oder schreiben darf, aber Neger, Schwarzer, Negerkuss, Mohrenkopf oder Zigeuner nicht? Warum muss ich, um politisch korrekt zu sein, in wissenschaftlichen Arbeiten immer die weibliche Form eines Begriffes ergänzen, wenn das möglich ist? Wenn ich also Bürger oder Einwohner schreibe, muss ich BürgerInnen oder Einwohner(innen), schreiben, weil unterstellt wird, dass ich sonst nur die männliche Form meine.
Neben diesen formalen Vorschriften, die außer im universitären Bereich nirgendswo festgeschrieben sind, gibt es auch inhaltliche Sachverhalte. So kann ich gegen das Christentum polemisieren, weil der Papst die Pille verbietet und Luther Antisemit war, andererseits gilt Kritik am Islam als fremdenfeindlich. Kritik am Euro wird als reaktionär und nationalistisch angesehen. Müssen Kinderbücher wie Jim Knopf oder Pipi Langstrumpf tatsächlich umgeschrieben werden, weil sie „schlimme“ Worte wie Neger u.ä. enthalten? Ist Pipi an sich nicht auch zweideutig?

Sprache wandelt sich, das haben wir zuletzt erlebt bei der Rechtschreibreform (Schifffahrt kann ich immer noch nicht verstehen), aber zu allen Zeiten ist man mit den Veränderungen liberal umgegangen. Ich kann damit leben, als ungebildet zu gelten, wenn ich die alte Rechtschreibung benutze. Nicht damit leben kann ich, dass bei der Nutzung von Begriffen in der alten Bedeutung eine politische Absicht unterstellt wird. Das geht dann nahtlos in Zensur über und wird von einigen Gutmenschen versucht. Das sind oft die gleichen, die wahrheitswidrig an ihren SUV den Sticker „Hybrid“, dem angeblich meist verkauften Zubehör laut Focus.

Wir sollten uns nicht alles gefallen lassen, auch und gerade Schweigen ist mitunter ein Ergebnis der Zensur. Alternativlose Politik ist genau so ein Unsinn wie eine Überintellektualisierung von Politik wie z.B. im Falle der EU. In einer informierten Gesellschaft fällt es den Eliten immer schwerer, ihre Forderungen durchzusetzen. Also greifen sie zum Mittel der Verkomplizierung, für Rechtsakte der Europäischen Union gibt es 64 im EU-Vertrag festgeschriebene Entscheidungsarten und 358 Entscheidungsmöglichkeiten (dokumentiert in den Auswertungen nach dem Blog).
Ich bin ein alter, konservativer Knochen, aber es gibt Grenzen, bei denen man sich wehren muss. Alle Vergleiche hinken, aber ich habe ein ähnliches Gefühl der Verkrustung wie 1968ff. Wir müssen ja keine Weltrevolution anstreben, aber Meinungsäußerungen im Kleinen laut und deutlich sind erforderlich. Ich versuche es im Kleinen, vielleicht macht jemand mit. Im Gutachten zu meiner Dissertation über das Demokratiedefizit der EU steht, dass man stellenweise den Eindruck einer Streitschrift hätte. Ich kann heute sagen, dass das gewollt war. Lasst uns in diesem Sinne streiten.

Redakteur




23. Mai 2018, 17:47

Wunschzettel für die Koalitionsverhandlungen zur Bildung einer Bundesregierung 2017

Dies ist ein weiterer Versuch, um eine Diskussion über demokratische Fragen in Gang zu setzen. Bisher kann ich nicht feststellen, ob es daran liegt, dass niemand den Blog liest oder dass die Themen nicht attraktiv sind. Bis zum Beweis des Gegenteils mache ich dennoch weiter.

Ich hoffe, dass viele meiner Vorstellungen auf große Resonanz stoßen würden, wenn sie denn gelesen würden, aber die zuständigen Politiker höre ich schon mit der Ablehnung, weil das alles gar nicht geht. Wenn man bedenkt, was alles schon ging, obwohl es unmöglich schien, kommt es darauf an, Mehrheiten zu organisieren, die Politiker zum Nachdenken bringen. Wir müssen endlich raus aus dem Reparaturbetrieb und uns neuen Lösungen nähern. Die Demokratie muss wieder attraktiv werden, damit erkennbar wird, dass sich möglichst viele an den Diskussionen um die Entscheidungsfindung beteiligen können und die Interessen der Mehrheiten berücksichtigt werden und nicht die derjenigen, die die besten Lobbyisten haben. Ich erspare es mir, die zahlreichen Beispiele erneut aufzuführen. Sie sind Legion.
In Politik und Wirtschaft wird über die Industrie 4.0 diskutiert. Wie wäre es, wenn man in grundsätzlichen Lebensfragen mal mit Politik 1.0 anfängt? Vor über 15 Jahren war ich regelmäßig Wahlhelfer mit Zettel und Stift. Daran hat sich nichts geändert. Vorübergehend eingeführte „Wahlmaschinen“ haben sich angeblich nicht bewährt. Warum trauen sich Politiker nicht, die Bürger, die sie angeblich vertreten, regelmäßig zu befragen. Nicht repräsentativ und mal so, sondern ernsthaft, direkt und mit Wirkung? Der Ruf nach Volksbefragungen ist mir zu populistisch und verfrüht. Wir sollten vorher üben, wie man die Wünsche und Vorstellung der verschiedenen Gruppen national und international berücksichtigt. Das ist mein erster Wunsch, und der nicht nur auf nationaler Ebene, aber auch da ist eine grundlegende Wahlrechtsreform dringend erforderlich. Die Bedeutung der Parteien geht immer mehr zurück, nur beim Wahlrecht dominieren sie. Der einzelne Abgeordnete muss wieder an Bedeutung gewinnen, dann brauchen wir nach dem chinesischen und europäischen Parlament nicht das drittgrößte der Welt. Die Wahl zum Europäischen Parlament ist ein Graus und muss dringend geändert werden. Ich habe dazu Ausführungen in meinem Buch „Das Demokratiedefizit der EU nach dem Vertrag von Lissabon“ gemacht.

Mein zweiter Wunsch befasst sich mit der Umwelt, der Landwirtschaft, dem Verkehr und der Energie. Diese Politikfelder tragen neben der Verschiebung der Erdachse auch zur Klimaverschiebung bei. Wichtiger ist mir jedoch die Erhaltung unserer Lebensgrundlagen. Die Erderwärmung lässt sich im gewissen Rahmen technisch managen, die Zerstörung unserer Grundlagen durch maßlose Ausbeutung der Ressourcen nicht oder nur sehr begrenzt.
Beginnen wir mit der Energie. Es ist bekannt, dass nur etwa 3 Stunden Sonnenenergie, die auf die Erde trifft, ausreicht, um den Energiebedarf der derzeitigen Erdbevölkerung zu decken (http://www.messerschmid-energiesysteme.de/warum-sonnenenergie.php). Die Strahlung ist nicht überall und gleich stark usw. Die Staaten, die Erdöl und Erdgas unter ihrer Erde haben, haben auch nicht gewusst, dass sie mal zu den Reichsten der Erde gehören würden. Es gibt nun Länder mit mehr Sonne haben als sie benötigen, können die Energie aber weder speichern noch nutzen. Ich bin fest davon überzeugt, dass der Energiespeicher der Zukunft der Wasserstoff sein wird. In Verbindung mit Aufwindkraftwerken könnte Wasserstoff per Elektrolyse günstig hergestellt werden. Zum Transport benötigt man Lastenzeppeline. Die brauchen keine teure Landebahn und können (fast) überall hin. Die bringen zum Beispiel das Wasser in die Wüste zum Aufwindkraftwerk und nehmen den Wasserstoff und den Sauerstoff mit.
Mit dem Wasserstoff würde auch die Zukunft der Verbrennungsmotoren gesichert mittels der Brennstoffzelle. Das Problem der verstopften Straßen allerdings nicht. Ein wesentliches Problem ist der LKW-Verkehr, vor allem der, der als rollendes Ersatzteillager genutzt wird. Ich bin daher der Meinung, dass der Schwerlastverkehr zu 90% auf die Schiene, das Schiff und den Lastenzeppelin verlegt werden muss. Das schont die Umwelt und verringert die Energieverschwendung.
Schließlich die Landwirtschaft. Sie ist zu einem Industriebetrieb mit Gewinnmaximierung verkommen und produziert nebenbei 40% der Umweltschäden, wie Kritiker meinen. Der Landwirt war über Jahrhunderte der Bewahrer der Natur mit Fruchtfolge auf den Äckern und Tierzucht in den Ställen. Heute scheint das alles keine Rolle mehr zu spielen. Viele Landwirte leiden selbst am meisten und würden vieles ändern, scheitern aber oft an ökonomischen Belangen. Sie geben lieber der Betrieb auf, ehe sie sich unethisch verhalten. Das Hauptargument ist häufig, dass der Verbraucher das so will, weil er die Preise drückt. Ist das so? Da kann ich nur sagen Politik 1.0 Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Anzahl der Bauernhöfe subventioniert, die nötig waren, um die Bevölkerung zu ernähren. Das spielt heute keine Rolle, da werden die Kartoffeln eben aus Südafrika eingeflogen, gleich neben den Rosen.

Mein dritter Wunsch bezieht sich auf Finanzen und Soziales. Wenn man sich die öffentlichen Ausgaben vor allem in Deutschland ansieht, hängt beides eng zusammen. Beides muss vereinfacht und transparenter werden. Über einen Vorschlag zur sozialen Gerechtigkeit und die Lösung der Rentenfrage mit einem bedingungslosen Grundeinkommen als Basis habe ich bereits am 02.07.2017 geschrieben. Über die 40 Steuerarten habe ich am 29.07.2017 berichtet. Eine Vereinfachung bedeutet per se immer mehr Gerechtigkeit. Die deutsche Steuergesetzgebung ist so kompliziert, dass kein Land mehr Literatur zu dem Thema hat als wir. Es eröffnet ebenfalls Möglichkeiten der Umgehung, denn einfache Lösungen sind klar und nicht zu umgehen. Wenn die Voraussagen zutreffen, werden in absehbarer Zeit viele Tätigkeiten, die heute von Menschen verrichtet werden, von Robotern erledigt. Wie wird der Mehrwert besteuert? Gibt es eine Maschinensteuer? Darüber sollte beizeiten nachgedacht werden. Es macht nämlich nicht viel Sinn, das bedingungslose Grundeinkommen durch indirekte Steuern gleich wieder massiv zu reduzieren. Ich hoffe, dass sich Experten, die mehr zu dem Thema zu sagen als ich, darüber Gedanken machen.

Der vierte Wunsch ist in den Kapiteln über die Verteidigungspolitik und die Flüchtlingspolitik am 22.07. und 21.08.2017 bereits gestreift worden, so dass die Vorstellungen dort als Diskussionsgrundlage genügen sollten.

Schließlich möchte ich in meinem fünften Wunsch noch etwas zur Europäischen Union sagen, da diese mir besonders am Herzen liegt. Zwar kann ein Land allein nur wenig bewirken, aber wenn ein Land wie Deutschland klare Vorstellungen entwickelt, gibt es zumindest eine Grundlage für die Meinungsbildung. Wir haben zurzeit die schwächste Kommission seit langem, so dass von dort keine Impulse zu erwarten sind. Man ist mit dem Brexit derart überfordert, dass außer Sprechblasen keine Ideen entwickelt werden. Zunächst muss die Grundaussage über die längere Zukunft der EU entwickelt werden. Zurzeit feiert der Intergouvernementalismus, der nach dem Vertrag von Lissabon überwunden schien, große Erfolge. Ist das gewollt? Was unterscheidet dann die EU von allen anderen zwischenstaatlichen Bündnissen? Die gemeinsame Währung ist in großen Schwierigkeiten, wird nicht in allen Mitgliedsländern genutzt und droht zu zerbrechen. Übermäßige Staatsverschuldung durch Inflation zu bekämpfen, funktioniert nicht oder nur dann, wenn man eine Währungsschnitt macht. Kommt es dazu, zerbricht der Euro. Die nationalen Staatshaushalte sind auch nicht durch einen europäischen Finanzminister zu retten. Das Einzige, was helfen könnte, wäre eine Refinanzierung der Mitgliedstaaten ausschließlich über die Europäische Zentralbank. Da das aber zu föderal wäre, kommen solche Überlegungen im Staatenbund nicht in Betracht.
Der weitere Bereich, der neben der Währung noch verbindet, ist das Grenzregime, das seit längerer Zeit gar nicht mehr funktioniert. Zwar müssen Ausnahmen bei der EU beantragt werden, aber bisher ist von einer Ablehnung noch nie etwas gehört worden. Von der Sicherung der Außengrenzen ganz zu schweigen. Viel zu lange ist das als die Angelegenheit der Länder angesehen worden, die das Pech hatten, eine Außengrenze der EU zu haben. Intergouvernementalismus eben. Jedem das Seine, und mir das Meiste.
Schließlich noch die Akzeptanz der EU von den BürgerInnen und den meisten Mitgliedstaaten. Solange die BügerInnen keine klare Vorstellung haben, was die EU eigentlich bewirkt, kann es auch keine Bindung geben. Solange nur witzige Vorschriften wie die Bananen- und Gurkenkrümmung in der Presse kolportiert werden, wird es in Verbindung mit den aufgezeigten Mängeln kein echtes EU-Feeling geben. Ich bin daher der Meinung, dass alle von der EU getroffenen Entscheidungen national kenntlich gemacht werden müssen. Gleichfalls die jährlich über 1.000 Verstöße gegen EU-Recht. Die wenigsten Verstöße sind übrigens Terminüberschreitungen und Deutschland liegt jedes Jahr ganz weit vorn. (http://europa.eu/rapid/​press-release_IP-16-2245_de.htm)
Über das Ärgernis des fehlenden Wahlrechts zu EU Parlaments habe ich bereits berichtet. Aber auch der geringe Einfluss des EP auf die Rechtsakte mit unter 10% zeigt, dass die EU noch meilenweit von einem demokratisch organisierten Staatenverbund entfernt ist. Welche Zukunft ist geplant und welche bekommen wir?

Redakteur




23. Mai 2018, 17:43

Nachlese Bundestagswahl 2017

Gerade habe ich bei Facebook einen Satirebeitrag des NDR mit dem Titel Säxit gesehen. Es ist natürlich wohlfeil, Menschen dazu zu überreden, dass es für Sachsen besser wäre, aus Deutschland auszutreten. Bedenklicher erscheint mir schon ein Kommentar unter dem Beitrag: Demokratie ist Scheiße, ich will was besseres.

Zunächst zu Sachsen. Ich bin in Sachsen geboren und daher nicht frei von Emotionen beim Säxit. Wenn man das, was da in Sachsen passiert, demokratietheoretisch betrachtet, kann Sachsen nur als vorbildlich dargestellt werden. Es gibt eine außerparlamentarische Opposition, deren Wirken inzwischen in mehrere Parlamente hineinreicht. Mir gefällt das Gedankengut und die Belärmung von politischen Veranstaltungen auch nicht. Aber da gibt es BürgerInnen, die für Ihre Überzeugung auf die Straße gehen, auch wenn die Ansichten oft auf Irrtümern beruhen. Das ist in Zeiten, in denen die Regierungskoalition im Deutschen Bundestag eine Mehrheit von fast 80% hat und fast jede Entscheidung als alternativlos dargestellt wird, nicht verwunderlich. Leider wird der Erfolg ausbleiben, weil entweder die Argumente fehlen oder die Durchschlagskraft. Da war die APO nach der ersten großen Koalition Ende der 60er Jahre bis in der 80er schon sehr viel heftiger, übrigens nicht nur, was die Gewalt betraf sondern auch in den politischen Forderungen.

Was ist zu tun, um diese demokratisch fehlgeleiteten BürgerInnen von dem Spruch abzubringen: Demokratie ist Scheiße. Das Einfachste wäre natürlich die Frage: Wie hätten Sie es denn gern? Viele Demokratiegegner sehnen sich nach dem guten Diktator, der einem sagt, wo es lang geht und der in meinem Sinne entscheidet. Da bräuchte ich keine Angst mehr zu haben, dass die vielen Menschen, die dümmer sind als ich, eine falschen Entscheidung treffen. Falsch im Sinne von gegen meine Interessen. Dass das in die Irre führt, liegt auf der Hand, außerdem hätte der Diktator nicht 80% sondern 100% der Entscheidungsmacht. Andere rufen nach mehr direkter Demokratie. Die aktuellen Wählerentscheidungen unter demagogischen Einflüssen wie in den USA, Ungarn und Großbritannien dämpfen die Euphorie. Auch das immer wieder angeführte Beispiel der Schweiz verblasst angesichts der geringen Wahlbeteiligung und der mitunter schwer verständlichen Entscheidungen.

Schon Aristoteles war der Demokratie gegenüber sehr skeptisch und nannte sie die Herrschaft der Armen. Sein Vorschlag war eine Mischung aus Oligarchie und Demokratie, und er nannte es Politie. Ich würde gern ein System zur Diskussion stellen, in dem die Gewaltenteilung modifiziert wird und die Macht der Parteien zurückgeht. Beides ist de facto bereits so. Die Regierungsmehrheiten und die Regierungen verhandeln immer häufiger im nichtöffentlichen Raum. Von den im Bundestag eingebrachten Gesetzesvorhaben wurden z.B. durchgängig über zwei Drittel von den Exekutiven vorgeschlagen. Von dem Drittel der Legislative wurden zwei Drittel von der Opposition eingebracht und im Plenum abgelehnt.
(https://www.bundestag.de/​blob/196202/​3aa6ee34b546e9ee58d0759a0cd7​1338/​kapitel_10_01_statistik_zur_​gesetzgebung-data.pdf und https://www.bundestag.de/​blob/194870/​de4a3764064650dafc6c741151fe​df23/gesetzgebung_wp18-data.pdf )
Bei der EU ist das Verhältnis noch graverender. Da kann nur die Kommission auf Grund des Initiativmonopols Vorschläge unterbreiten. Die Räte und das Parlament nehmen von Ihrem Vorschlagsrecht an die Kommission so gut wie keinen Gebrauch.
Die sinkende Macht der Parteien zeigt sich am Mitgliederschwund und der teilweisen Überalterung. Wenn man sich unabhängig von Parteien die Diskussionen in den sozialen Medien ansieht, findet man dort interessierte auch junge Leute, die allerdings mitunter schlecht informiert sind. Auch die Artikulationen sind mitunter gewöhnungsbedürftig.

Nun lässt sich eine Lösung nicht auf einer halben Seite abhandeln, aber grob skizziert, sollte man darüber nachdenken, die Legislative und die Exekutive zusammenzulegen und daraus eine Oligarchie zu machen, ohne Checks und Balances zu vernachlässigen. Zur politischen Willensbildung, Meinungsäußerung und zu Abstimmungen werden alle Medien, vor allem die sozialen Medien genutzt. Die Judikative und die intermediären Strukturen erhalten eine noch größere Bedeutung.

Redakteur




23. Mai 2018, 17:42

Wählerbeschimpfung

Man hört nach Wahlen von unterlegenen Parteien immer wieder den Ruf „Bloß keine Wählerbeschimpfung!“ Ich frage mich nun, warum eigentlich nicht? Man kann doch die Gewählten nicht dafür verantwortlich machen, dass sie gewählt worden sind. Protestparteien werden immer wieder gewählt, weil sie versprechen: Wir werden dafür sorgen, dass … obwohl schon vor der Wahl klar ist, dass die Versprechen nicht eingelöst werden können, weil die entsprechende Mehrheit fehlen wird. Sie werden dennoch gewählt und hinterher wird ihnen das gebrochene Versprechen verziehen, weil das Versprechen nicht aktiv sondern mangels Gelegenheit nicht eingelöst wurde.
Nun kann man dem Wähler vorwerfen, dass er sich unklug verhalten hat, denn er hätte die Folgen seiner Wahl doch erkennen müssen und die wählen sollen, die etwas verändern können. Dieser Gedankengang ist zutiefst undemokratisch, denn erstens weiß man vorher nicht, welche Entscheidungen auf Grund welcher Mehrheitskonstellation getroffen werden können. Und zweitens ist es in einem System, in dem die Mehrheit entscheidet, wichtig dass die unterlegene Minderheit zumindest eine Stimme erhält und gehört wird. Bei der Bundestagswahl 2017 haben sich 42 Parteien um Wählerstimmen beworben. Nun kann man darüber streiten, ob die „Urbane. Eine HippHopp Partei“ oder die „Magdeburger Gartenpartei; ökologisch, sozial und ökonomisch“ und ähnliche Gruppierungen für den Bestand der Bundesrepublik Deutschland unerlässlich sind. Aber all diese Parteien haben Ziele und Anhänger, die sich dafür einsetzen. Das gilt auch für die „Alternative für Deutschland“, ob man die Partei mag oder nicht.
Wenn nun ein Wähler der Meinung ist, dass eine bestimmte Partei seine Interessen vertritt und sie deshalb wählt ist das in Ordnung. Nicht in Ordnung ist jedoch, wenn der Wähler seine Wahl trifft, ohne irgendwelche Kenntnisse über die zu Wählenden. Ich verweise hier auf meine Ausführungen vom 09.07.17 und die Forderungen von Robert A. Dahl. Eine Überprüfung des Kenntnisstands eines Wählers vor dem Wahlakt würde einem Klassenwahlrecht entsprechen und passt nicht in unsere Zeit. Manchmal würde man es sich dennoch wünschen.
Als äußerst fragwürdig einzustufen sind in jedem Fall Wähler, die bewusst eine Partei wählen, deren Ziele sie nicht kennen oder unterstützen, nur um anderen früher gewählten Parteien zu schaden. Hier halte ich eine „Wählerbeschimpfung“ für durchaus angebracht, weil dieses Verhalten die repräsentative Demokratie gefährdet, indem sich diese Wähler außerhalb des Systems stellen. Hier bleibt immer noch die Möglichkeit der außerparlamentarischen Opposition. Aber Abgeordnete in ein Parlament zu entsenden, die man eigentlich ablehnt, ist moralisch-ethisch verwerflich und zerstört das Grundprinzip.
Nachwahlbefragungen haben ergeben, dass etwa 2/3 der AfD-Wähler die Partei aus Frust und um den sonst gewählten Parteien eins auszuwischen quasi als Denkzettel gewählt haben. Leider ahnen diese Wähler nicht, wie viel Schaden sie mit diesem Verhalten anrichten.

Redakteur




23. Mai 2018, 12:27

Gabriel, Erdogan und die Flüchtlinge

Eigentlich wollte ich keine tagespolitischen Beiträge schreiben, sondern mich um die Demokratie heute und in der Zukunft äußern, aber die aktuelle Entwicklung des deutsch-türkischen Verhältnisses lässt mich eine Ausnahme machen.
Der Präsident Erdogan hat dem türkischen Volk einen gewissen Wohlstand und eine besseres Selbstbewusstsein gegeben. Das ist gut, hatte aber wohl den Nachteil, dass er glaubt, er habe das allein gemacht und meint, daraus gewisse Rechte ableiten zu können, die zu Selbstüberschätzung führen. Ich will hier die Beleidigungen und Beschimpfungen von Herr Erdogan gegenüber den Deutschen und seinen Repräsentanten gar nicht aufführen, aber es war zum Teil sehr heftig.
Wie behandelt man Menschen, die sich daneben benehmen? Wie Pestalozzi: mit Güte und Strenge. Strenge bedeutet, dass man auch tut, was man ankündigt. Herr Gabriel müsste das wissen, denn er hat zwei Kinder im richtigen Alter. Aber wahrscheinlich verhält er sich wie viele Eltern, die sich über das Fehlverhalten amüsieren und jedes Mal sagen „noch einmal, dann ist Schluss.“ So sieht uns Erdogan, weil es weiß, wir machen sowieso nicht ernst. Ich wundere mich auch, dass Herr Gabriel die Situation nicht richtig einschätzen kann, war er doch 10 Jahre lang mit einer Türkin verheiratet.
Als Begründung für die zögerliche Reaktion wird immer wieder angeführt, dass die Türkei die Flüchtlinge aus Syrien zurückhält. Abgesehen davon, dass man diesen Menschhandel als moralisch verwerflich ansehen muss, entsteht hier eine Machtposition, die so nicht tragbar ist. Zwar ist das Flüchtlingsabkommen zwischen der Türkei und der EU abgeschlossen worden, aber alle, die etwas gegen die EU und/oder Deutschland haben, wenden sich gegen Deutschland. Das geht so weit, dass Herr Erdogan glaubt, Frau Merkel persönlich habe jemanden in die Türkei geschickt, um ihm zu schaden. Im Rahmen der Diskussion um das G 20 Treffen, wurde die Frage gestellt, warum denn nicht die UN diese ordnungspolitischen Fragen lösen. Antwort: weil sie es nicht wollen und/oder können!
Die Welt könnte um ein vielfaches besser sein, wenn sich die Weltgemeinschaft in Form der UN darauf verständigen könnten, das UN Mandat über Staaten oder Staatsgebiete wieder einzuführen. Im Fall von Syrien könnte man ein Gebiet, in dem keine Kampfhandlungen stattfinden, zum Mandatsgebiet erklären und Flüchtlingslager, die den Namen verdienen, betreiben. Das Geld würde dann unmittelbar dorthin fließen und müsste nicht über Drittstaaten gezahlt werden, wo dann wahrscheinlich „Verwaltungsgebühren“ anfallen. Diese Mandatsgebiete wären dann immer auf dem in Not geratenen Staatsgebiet und andere Staaten wären nicht betroffen. Es gäbe auch keine Schleuser und keine zurückzuführenden nicht anerkannten Flüchtlinge. Und falls doch, werden diese Menschen in das Mandatsgebiet Ihres Heimatlandes unmittelbar zurückgeführt, sofort und nicht, nachdem der Fall ausgeklagt ist. Diese Mandatsgebiete kann man in allen Staaten, aus denen Flüchtlinge kommen, einrichten. Das würde viel Leid und Not ersparen, denn viele Vertriebene wollen ihr Land nicht verlassen, sondern nur die Kampfgebiete. Der bayerische Ministerpräsident könnte den Artikel 16a wieder inkraft setzen, denn natürlich wird es auch dann noch Flüchtlinge geben, die wir aufnehmen.

Redakteur




23. Mai 2018, 12:19

Ehe für alle

Der wahltaktische Aspekt, dass die SPD nämlich der CDU ungewollt mit der leicht übereilten Aktion einen Gefallen getan hat, da das Thema im Wahlkampf keine Rolle mehr spielt, sowie das Religiös-Moralische sollen hier keine Rolle spielen, sondern vielmehr einige Grundregeln der Demokratie. Nur eine boshafte Bemerkung: wenn es Ehe für alle heißt, schließt das die Vielehe mit ein? Und wenn Vielehe, dann auch die Ehe einer Frau mit mehreren Männern? Man hätte das Problem sehr viel eleganter aber auch weniger öffentlichkeitswirksam lösen können, indem man zu den Bestimmungen zur eingetragenen Partnerschaft einen Zusatz gemacht hätte, dass die gleichen Rechte wie in der Ehe gelten. Das hätte aber weniger Aufsehen gegeben und darauf kommt es wohl in unserer Mediengesellschaft in erster Linie an. Viele Homosexuelle müssen der Welt unbedingt mitteilen, welche sexuelle Orientierung sie haben. Das ist nach der langen Zeit der Diskriminierung verständlich, aber manchmal enervierend.
Ich möchte vielmehr zwei demokratietheoretische Überlegungen einführen. Die Institution Ehe hat sich im Laufe der Jahrhunderte sehr häufig geändert, mal war es ein Sakrament, mal ein zivilrechtlicher Vertrag, heute ist es eine Mischung aus romantischen Vorstellungen, Sexualmoral und Schutz der Kinder, alles zivilrechtlich unterfüttert und in den Grundrechten (Art. 6) verankert. Es muss darauf hingewiesen werden, dass gem. Art. 19 (2) Grundgesetz kein Grundrecht in seinem Wesensgehalt geändert werden darf. Wenn wir über die Meinungsfreiheit oder die Unverletzlichkeit der Wohnung diskutieren, wird jeder sofort zustimmen, die Familie und Ehe stehen jedoch zu Disposition. Wirklich? Es sollte auf jeden Fall die Frage geklärt werden, ob unter Ehe und Familie auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften subsumiert werden können. Mir fehlt allerdings die Kompetenz, da eine Meinung zu äußern. Das Bundesverfassungsgericht sollte da eine Entscheidung herbeiführen.
Der zweite Teil meiner Überlegungen befasst sich mit den intermediären Strukturen, also der Vermittlung von politischen Sachverhalten zwischen BürgerInnen und politischen Eliten, und zwar in beiden Richtungen. Dabei ist eine besonders objektive und allgemein verständliche Berichterstattung und Kommentierung durch die Medien anzustreben. Leider hat sich inzwischen auch in seriösen Medien ein Stil entwickelt, der es erforderlich macht, neben dem Fernsehen und dem Internet mindestens noch eine Zeitung zu lesen, um sich ein Bild machen zu können, das einigermaßen der Wirklichkeit entspricht. Viele äußern ihre Unzufriedenheit mit dem Begriff Lügenpresse, was völlig überzogen ist und an der Realität vorbeigeht, denn die Lüge setzt Vorsatz und Kenntnis der Wahrheit voraus. Deshalb sollte man das Fehlverhalten eher Nachlässigkeit oder Versehen nennen. Das ist bei der Diskussion über die Ehe für alle und den Artikel 6 des Grundgesetzes zu beobachten. So stellt der Journalist Jörges in der Talkshow Lanz als Entgegnung auf einen zaghaften Versuch eines durchaus unfähigen Politikers, gegen die Neuerung zu argumentieren, fest, dass Kinder im Art. 6 nicht vorkommen. Das blieb natürlich unwidersprochen, weil niemand das Grundgesetz dabei hatte. Der Art. 6 besteht aus 5 Absätzen, von denen es in dreien davon um Kinder geht. Mir geht es nicht um die juristische Auslegung sondern um die intermediären Strukturen.
Der Demokratieforscher Robert A. Dahl beschreibt 5 Prozesse, die für die Demokratie unerlässlich sind: Voting equality, effective partizipation, enlightened understanding, control of the agenda und inclusion. Im hier besonders zu erwähnenden enlightened understanding stellt Dahl fest, dass die Demokratie nur dann funktionieren kann, wenn die Differenz zwischen den politischen Eliten und dem Demos durch Bildung, Verfügbarkeit von Informationen für alle sowie Möglichkeiten des Einflusses und der politischen Diskussionen verringert werden. Es wäre zu wünschen, dass die veröffentlichte Meinung ihren Teil dazu beitragen würde.

Redakteur




 

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