Blog Demokratie heute

In unregelmäßigen Zeitabständen werde ich hier Gedanken, Vorschläge und Stellungnahmen über demokratische oder scheinbar demokratische Vorgänge äußern.


Vielleicht liest das jemand und schickt mir Kommentare, Zustimmungen oder Gegenargumente. Die Demokratie befindet sich nach meinen Feststellungen gerade im Umbruch. Junge Demokratien bemühen sich um die Stabilisierung der Institutionen, alte Demokratien stoßen an ihre Grenzen. Die Präsidialdemokratien haben Probleme mit der Gewaltenteilung, die repräsentativen Demokratien mit der Partizipation und der Repräsentanz und die direkten Demokratien mit der Kompliziertheit vieler Sachverhalte. Wohin geht die Entwicklung? Welche Rolle kann, soll und muss das Internet in Zukunft spielen?

Vielleicht finden wir ja gemeinsam einen Weg, unser Zusammenleben freundlicher, gerechter und im Einklang mit der Umwelt zu gestalten.


23. Mai 2018, 18:01

Ist die repräsentative Demokratie in Gefahr?

Diese Frage wird immer mal wieder im Angesicht von geringen Wahlbeteiligungen gestellt. Bei der Landratswahl im Hochtaunuskreis haben sich am 28.01.2018 weniger als 30% der Wähler beteiligt. Es wären noch weniger gewesen, wenn nicht in einer Stadt zusätzlich der Bürgermeister gewählt worden wäre. Stellt sich die Frage nach sinnvollen Kombiwahlen.
Die Frage wird auch im Zusammenhang mit den Regierungsbildungsversuchen im Bund gestellt. Da gibt es gewählte Repräsentanten, die nach den Verhandlungen kleine und große Parteitage und sogar alle Mitglieder fragen, ob sie richtig verhandelt haben. Sehnen wir uns nach direkter Demokratie? Trauen wir unseren gewählten Repräsentanten nicht mehr? Grund gäbe es allemal, denn es entsteht oft der Eindruck, dass die Gewählten oft nach der Wahl etwas anderes sagen als vor der Wahl. Aber spricht das gegen das System oder doch eher gegen die Repräsentanten?
Aber ist die direkte Demokratie die Lösung? Es wäre müßig, die Probleme der hochgelobten Schweiz anzuführen und da funktioniert es immer noch am besten. Es gibt aber auch für deutsche Wähler genügend Möglichkeiten, sich zu äußern, von der Bürgerinitiative auf Ebene der Europäischen Union über die Volksentscheide in den Bundesländern bis zu den Bürgerentscheiden in den Kommunen oder auch der Volksentscheid gem. Art. 29 Abs. 2 des Grundgesetzes auf Bundesebene. Hinzu kommen Befragungen, Bürgerversammlungen und Petitionen sowie Bürgerhaushalte. Welche Erfahrungen liegen vor? Pauschal gesagt keine guten. Die Beteiligungen sind gering, oft zu gering. Die Nichtraucher-Initiative in Bayern wird von den Befürwortern der direkten Demokratie angeführt, der Volksentscheid gegen die Schulreform in Hamburg von den Gegnern. Ein Beispiel aus der Stadt, in der ich zusammen mit etwas über 50.000 Einwohnern seit über 30 Jahren lebe. Vor Jahren sollte ein Parkhaus abgerissen und durch ein neues in Verbindung mit der öffentlichen Bücherei ersetzt werden. Das verhinderte ein Bürgerentscheid mit einem 5-jährigen Moratorium. Ergebnis: das Parkhaus wurde wegen Baufälligkeit geschlossen, heute steht dort ein Wohnhaus. Heute gibt es rund 20 Parkhäuser und Parkplätze mit häufigen Leerständen, plus Parkhäuser der Banken und großen Firmen. Immerhin wurde eine Überkapazität erreicht.
Wenn die direkte Demokratie nicht greift, was dann? Es muss gelingen, die repräsentative Demokratie auch tatsächlich repräsentativ zu gestalten. Kann man die Bürger eines Landes in einem Parlament abbilden? Ganz sicher nicht, aber man kann es versuchen. Wenn ich mit den derzeitigen aufgeblähten Bundestag mit 709 Abgeordneten ansehe, dann werden schnell die Mängel deutlich. Die Gruppe der Akademiker und dabei die Juristen (157), Ökonomen (115) und Gesellschaftswissenschaftler (91) sind deutlich überdurchschnittlich vertreten. Kaufleute (36) und Handwerker (37) sind immerhin überhaupt im Parlament, 20 waren Beamte, 53 Lehrer und 24 ohne einen klassischen Abschluss. Das Erschreckende ist jedoch, dass 94 von 709 Abgeordnete außer dem Studium und Parteiarbeit als Assistent o.ä. keine anderen Erfahrungen gesammelt haben. Bei den Grünen und Linken liegt dieser Anteil über 30%. Es stellt sich die Frage, ob bei der Kandidatenauswahl Auflagen gemacht werden können, so dass möglichst viele Gruppen berücksichtigt werden. Die tatsächliche Wahl wird allerdings Änderungen herbeiführen.
Inwieweit Vorwahlen bei der Kandidatenauswahl sinnvoll sind, sollte diskutiert werden. Es ist eine Annäherung an die direkte Demokratie und könnte den Abstand zwischen Wählern und Gewählten verringern. Dabei könnte auch der zu starke Einfluss der Parteien etwas zurückgedrängt werden. Die Mandatsträger fühlen sich heute sehr viel mehr den Parteiführungen verbunden als den Wählern.
Um die genannten Maßnahmen wirksam werden zu lassen, ist in jedem Fall die Änderung unseres Wahlrechts erforderlich. Der Sinn des modifizierten Verhältniswahlrechts hatte den Grund, neben direkt gewählten Abgeordneten den Parteien die Möglichkeit zu geben, Spezialisten und besonders wichtige Personen über die Landesliste in das Parlament zu bringen. Inzwischen hat sich die Regelung so verändert, dass die Zweitstimmen allein zählen und durch Ausgleichmandate Erststimmenerfolge ausgeglichen werden, wodurch der Deutsche Bundestag anstatt der vorgesehenen 598 nun 709 Abgeordnete hat. Wichtiger als die Bekanntheit beim Wähler ist für Kandidaten ein Wohlverhalten in der Partei. Dadurch werden interessante Politiker abgeschreckt und für Seiteneinsteiger ist das Anstreben eines politischen Amtes völlig illusorisch.
Aus diesem Dilemma würde nur die Änderung des Wahlrechts führen. Da sich die Parteien in dem jetzigen System eingerichtet haben und nur die eine Änderung durchführen könnten, ist da leider nichts zu erwarten. Es ist das gleiche Problem wie beim Europäischen Parlament. Da liegt Deutschland bei den Unzulänglichkeiten auch ganz vorn. Die derzeit 96 Parlamentsplätze werden von 14 Parteien besetzt.
Ich möchte nicht nur kritisieren, sondern auch einen konstruktiven Vorschlag machen. Es gibt weiterhin 298 Wahlkreise mit den Direktmandaten. Allerdings kann nur dieser gewählt werden. Bei nur einer Stimme entfällt das Stimmensplitting, was ohnehin etwas abwegig ist. Warum soll ich zwei verschiedene Parteien wählen können? Die Stimmen werden wie bisher die Zweitstimmen auf die Landeslisten verteilt. So ergeben sich zwei Mal 298 Abgeordnete. Eine Sperrklausel und Überhangmandate wären nicht erforderlich.
Ich habe mir mal das Wahlergebnis 2017 angesehen und die Erststimmen wie Zweitstimmen verteilt, und zwar bezogen auf 298 Wahlkreise. Danach hat die CDU/CSU mit großem Abstand die absolute Mehrheit. Das kann jedoch nicht als repräsentativ angesehen werden, da natürlich alle Parteien ihre Vorgehensweise ändern würden, denn vor allem die kleineren Parteien haben heute ihre Aktionen hauptsächlich auf die Zweitstimmen abgestellt.
Leider bleibt der Vorschlag ungehört, weil - siehe oben- keine Partei eine Änderung herbeiführen will. Dann doch lieber die repräsentative Demokratie an die Wand fahren. Es erscheint sinnlos, über mehr Bürgerbeteiligung unter Nutzung der neuen Medien zu diskutieren. Zwar soll das Internet ausgebaut werden, aber außer Kommunikation in zum Teil bedenklicher Art und Weise und Shopping ist für den Bürger nicht sehr viel angedacht.

Redakteur




23. Mai 2018, 17:58

Anmerkungen zum Kapitel Europa im Sondierungspapier von CDU/CSU und SPD

Am 12.01.2018 haben CDU, CSU und SPD die Ergebnisse der Sondierungsgespräche zur Bildung einer Bundesregierung veröffentlicht. Drei der 27 Seiten befassen sich mit der Europäischen Union. In vier Kapiteln sind mit 27 Untergliederungen Absichtserklärungen und Forderungen aufgeführt. Zum größten Teil sind es entweder Vorhaben, die von Deutschland nur sehr gering beeinflusst werden können (z.B. Mindestlohnregelungen sowie … nationale Grundsicherungssysteme in den EU- Staaten), oder solche, die Plattitüden wiedergeben (z.B. Unternehmen dürfen … die Staaten der EU nicht gegeneinander ausspielen), oder die völlig an der Realität vorbeigehen (z.B. Wir wollen mit einer kohärenten Afrika-Strategie die Zusammenarbeit mit Afrika auf allen Ebenen ausbauen).
Es ist wahrscheinlich nicht möglich und auch nicht nötig alle Merkwürdigkeiten zu kommentieren, aber einige Punkte möchte ich mit Anmerkungen versehen. Da ist zunächst die Forderung, den Einfluss des Europäischen Parlamentes (EP) zu stärken. Viele Möglichkeiten dafür liegen beim EP selbst. Im Vertrag von Lissabon sind nur die Gesamtanzahl der Abgeordneten, die Mindest- und Höchstmenge der Abgeordneten pro Land und die degressiv proportionale Aufteilung festgelegt. Die Verhältniswahl als Wahlsystem geht aus der Richtlinie 2002/772/EG hervor. Alles andere kann vom EP selbst beschlossen werden. Leider fühlt sich das EP dazu nicht in der Lage. Es gibt z.B. kein Wahlrecht zum EP, das müsste von diesem beschlossen werden. Das führt dazu, dass viele Mitgliedstaaten voneinander abweichende Systeme haben. Das bezieht sich sowohl auf das Wahlalter, den Wahltag, das Auszählungsverfahren und die Sperrklausel.
Das EP könnte auch den Einfluss vergrößern, wenn es vom Vorschlagsrecht gem. Art. 225 AEUV mehr Gebrauch machen würde. Das Argument der Behinderung durch das Initiativmonopol der Kommission trifft nur sehr bedingt zu. Eher hinderlich ist der fehlende Wettbewerb zwischen eine Regierungskoalition und einer Opposition.
Sehr unbefriedigend sind die Beteiligungen des EP am Rechtsetzungsprozess. Das ist allerdings im Vertrag so vorgesehen. In den Jahren 2008, 2011 und 2014 war das EP bei weniger als 10% der Rechtsakte beteiligt. Nicht berücksichtigt sind hierbei die Sachverhalte, die von der Europäischen Kommission allein entschieden werden können. Diese Vorgänge werden von keinem Gremium überprüft, sondern gehen unmittelbar in den nationalen Geschäftsgang. Sie werden im Amtsblatt, dem „Bundesgesetzblatt“ auf europäischer Ebene veröffentlicht.
Das leitet über zu dem zweiten Themenbereich, auf den ich weiter eingehen möchte. Es wird in dem Sondierungspapier gefordert, Europa bürgernäher und transparenter zu machen und dadurch neues Vertrauen zu gewinnen. Die Intransparenz hat mehrere Ursachen. Da ist zunächst das Problem, dass der Bürger nicht erkennen kann, welche Entscheidungen von der Kommission getroffen wurden. Erscheint das Ergebnis positiv, reklamiert die jeweilige nationale Regierung die Entscheidung für sich; im umgekehrten Fall wird auf die EU verwiesen(„Brussels bashing“). Tatsache ist, dass außer den Vorgängen mit alleiniger Zuständigkeit der Europäischen Kommission immer und in jedem Fall die Nationalstaaten beteiligt sind. Es wäre der erste Schritt, um Vertrauen zu gewinnen, dass man jede Entscheidung der EU, die sich in einem Mitgliedstaat auswirkt, als EU-Entscheidung kennzeichnet. Außerdem muss das Wahlsystem des EP so geändert werden, dass es demokratischen Grundsätzen entspricht, indem zum Beispiel alle Stimmen gleich sind. Dann könnte auch das EP mehr an Entscheidungen beteiligt werden. Gemäß Vertrag von Lissabon gibt es je nach Politikfeld 64 Entscheidungsarten, an denen das EP 12 Mal beteiligt ist, von den 358 Entscheidungsmöglichkeiten kann das EP 202 nutzen. Das System der EU ist nicht im eigentlichen Sinne demokratisch, da die Administration übermäßigen Einfluss hat und wesentliche Entscheidungsträger die nationalen Exekutiven sind. Man spricht daher auch von einem Mehrebenen-System, da nicht die Bürger sondern die Staaten Mitglieder der EU sind. Schließlich nehmen die meisten nationalen Parlamente, so auch der Deutsche Bundestag, die im Vertrag von Lissabon neu eingeräumten Kontrollrecht nur bedingt wahr.
Das wird am dritten Punkt besonders deutlich. Wie bereits erwähnt, entscheidet die Europäische Kommission bei alleiniger Zuständigkeit völlig autark. Bei allen anderen Vorgängen werden immer die nationalen Regierungen und Parlamente sowie das EP und die Räte mit einem Vorschlag informiert. Das bedeutet, dass selbst die Mitteilungen, Informationen und Berichte neben den Richtlinien, Beschlüssen und Verordnungen vor dem Erlass geprüft und kommentiert werden können. Im Extremfall können die nationalen Parlamente ein geplantes Vorhaben sogar zum Scheitern bringen. Im Rahmen meiner Dissertation habe ich die Reaktionen des Deutschen Bundestages für das Jahr 2011 analysiert (siehe Listen, Dokumente und Tabellen nach dem Blog). Das Ergebnis war, dass von den 874 Vorgängen nur 410 in einem oder mehreren Ausschüssen nichtöffentlich besprochen wurde. Davon kamen 18 auf die Tagesordnung des Deutschen Bundestages, von denen 4 ohne Aussprache verabschiedet wurde, zehn Mal waren die Redebeiträge zu Protokoll genommen worden und nur gab es eine öffentliche Debatte – von 874. Nicht einmal der Entwurf einer Verordnung zum Europäischen Kaufrecht, der vom Bundestag gerügt wurde, wurde im Plenum diskutiert.

Redakteur




23. Mai 2018, 17:56

Das Ende der Volksparteien

Manche Kommentatoren sprechen vom Untergang der Volksparteien, und sie schließen das daraus, dass es im Bundestag keine Partei mehr gibt, die über 30% der Stimmen erhalten hat, sowie daraus, dass es im Bundestag inzwischen 7 Parteien gibt. Den „ehemaligen“ Volksparteien wird vorgeworfen, dass sie sich zu sehr zur Mitte hin orientiert haben, so dass an den Rändern die AfD sowie die Linke für entsprechende Wähler attraktiv wurden. Aus heutiger Sicht kann wohl festgestellt werden, dass die Devise „Wahlen werden in der Mitte gewonnen“ nicht mehr zutrifft, da dort das Gedränge zu groß ist, Unterschiede in der Programmatik kaum noch zu erkennen sind und schließlich sich die Wähler nicht mehr im entsprechenden Maße angezogen fühlen. Es gibt Kritiker der jetzigen Zustände, die im Verhalten der beiden großen Parteien sogar eine Gefahr für die Demokratie sehen, da Populisten zu viel Spielraum gegeben wird. Bevor diese Sachverhalte untersucht werden, soll zunächst darüber reflektiert werden, was eine Volkspartei ausmacht.

Da ist sicherlich zuerst die Mitgliederzahl zu nennen. Die CDU und die SPD haben je etwa 433.000 Mitglieder und die CSU etwa 150.000. Demgegenüber haben die Grünen, die Linke und die FDP je rund 60.000 Mitglieder und die AfD unter 30.000. Allerdings kann nicht behauptet werden, dass rund 1,5 Mio. Parteimitglieder (kleinere Parteien mitgezählt) das Volk repräsentieren. Da spielt schon das Parteiprogramm eine größere Rolle. Während die kleineren Parteien sich auf ein bestimmtes Klientel ausrichten, wird von den Volksparteien erwartet, dass sie breiter aufgestellt sind und ggf. sogar innerhalb der Partei gegensätzliche Richtungen vertreten. Dadurch soll die Volkspartei von allen gesellschaftlichen Gruppen wählbar sein. Damit das entstehen kann, kommt es darauf an, möglichst genau die Wünsche und Forderungen der Wähler zu ermitteln und diese dann in spezifische und diffuse Angebote zur Diskussion zu stellen (Easton Loop). Man hat in den letzten Jahren immer mehr das Gefühl, dass die Wünsche und Vorstellungen eine untergeordnete Rolle spielen. Das lag zum größten Teil an den aktuellen Krisen, die es zu bewältigen galt und die hier nicht weiter erörtert werden müssen. Es waren also in erster Linie die kurzfristigen und spezifischen Angebote, die zur Wahl standen. Spätestens seit David Easton ist bekannt, dass die diffusen Angebote aber sehr viel mehr zur Wählerbindung beitragen als die spezifischen. Man kann also schließen, dass Volksparteien in erster Linie versuchen, Wähler durch allgemeine Slogans wie „Freiheit statt Sozialismus“ oder „Wachstum. Arbeit. Sicherheit“ oder „Zeit für mehr Gerechtigkeit“ oder „Kraftvoll. Mutig. Menschlich.“ für sich zu gewinnen. Diese allgemeinen Richtungsanzeigen führen häufig aber auch dazu, Ereignispolitik zu betreiben. Die dann mögliche grundsätzliche Änderung kann aber auch zur Verwirrung bei den Wählern führen. Das beste Beispiel dafür ist die Atompolitik. Während Merkel I noch die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke aus Gründen des geringeren CO2-Ausstoßes und der günstigen laufenden Energiekosten propagierte, beschloss Merkel II nach der Atomkatastrophe von Fukushima die Abschaltung aller Atomkraftwerke in Deutschland. Das zeigt, dass Ereignispolitik oft verwirrend sein kann.

Diese Art der politischen Kommunikation und diffusen Angebote werden oft als Schwäche und Unfähigkeit ausgelegt, Vorteile, die daraus erwachsen, als unverdienter Zufall oder „Sowiesoda“. Hier versuchen nun Populisten und extreme Parteien, Raum zu gewinnen, da sie einfache und scheinbar plausible Lösungen anbieten. „Ausländer raus“, „Glaubwürdigkeit für mehr Gerechtigkeit“, „Gerechtigkeit durch Chancengleichheit“, „Friedenssicherung durch Auflösung der NATO“ oder „Millionäre besteuern“ bieten einfache und einleuchtende Lösungen an. Meistens sind sie nicht durchführbar und oft sogar falsch. Als Beispiel sei hier die Chancengleichheit erwähnt. Man hört in diesem Zusammenhang oft den Satz „Meine Eltern hatten kein Geld, deshalb konnte ich nicht studieren.“ Ich kenne sehr viele Menschen, deren Eltern Geld hatten, die aber aus ganz anderen Gründen nicht studieren konnten. Kann man mangelnde Fähigkeiten durch Geldzuwendungen ausgleichen? Andererseits gibt es viele Menschen, die ohne klassische Bildung sehr viel erreicht haben. Nicht zuletzt der „Erfinder“ der Chancengleichheit selbst.
Der Schlüssel zur Beseitigung der Leichtgläubigkeit ist noch nicht gefunden. Die einen sagen, man müsse sich aufs gleich emotionale Niveau mit besseren Argumenten begeben. Andere sagen, dass genau das falsch sei und man müsse die Menschen durch Fakten und Leistung überzeugen. Die veröffentlichte Meinung spielt hier sicherlich eine große Rolle. Und das kollektive Gedächtnis an die Zeit vor 1945. Solange die Erinnerung noch besteht. Gerade deshalb sind die Volksparteien so wichtig.

Was kann man zur Reaktivierung der Volksparteien beitragen?
1. Änderung des Wahlrechts
Das derzeitige Wahlrecht bevorzugt die Parteien gegenüber der einzelnen Abgeordneten in unangemessener Art und Weise. Weniger als 3% der Wähler entscheiden über das politische Personal. Das macht die Bürger rat- und mutlos, im besten Fall wütend. Die Situation im Bundestag der 19. Wahlperiode macht das deutlich. Der Bundestag hat 709 Abgeordnete, obwohl es nur 299 Wahlkreise gibt. 410 Abgeordnete werden ausschließlich von den Parteien entsandt. Viele Bürger fragen sich, warum sie dann noch wählen sollen.
Die einfachste Lösung wäre sicherlich, dass die Zweitstimmen die eine Hälfte der Abgeordneten bestimmen und es bei den Erststimmen eine Stichwahl unter den beiden ersten Bewerbern im Wahlkreis geben würde. Ausgleichmandate würden wegfallen und die einzelnen Bewerber bekommen mehr Gewicht.
2. Veränderung der Form der Parteiprogramme
Die Programme sollten kürzer und verständlicher werden. Es verwundert schon, dass eine der größten Tageszeitungen lediglich eine Zusammenfassung einer Landeszentrale für politische Bildung hinsichtlich des Wahlprogrammes einer großen Partei zitiert und 10 Zeilen eigenen Text dazu schreibt. Die Neue Osnabrücker Zeitung macht es da schon besser, sie schreibt kurze, prägnante Statements und fügt im Internet Links zu den Originaltexten bei.
Ich weiß, dass die Parteien lange um Form und Inhalt ringen, der Stein der Weisen ist jedoch noch nicht gefunden. Wenn es die Wähler nicht lesen, kann man es auch lassen und sagen, wenn das Problem da ist, werden wir es lösen.
3. Mehr gestaltende, weniger Ereignispolitik
Politiker wissen natürlich, dass die spektakuläre Lösung von akuten Problemen mehr Wählerstimmen bringen als eine Steuerreform (siehe Mauerfall oder Oderflut), aber das darf nicht davon abhalten, richtungsweisende langfristige Entscheidungen zu fällen (Adenauer und Kohl die europäische Einigung, Brandt die Versöhnung mit Osteuropa und Schröder mit der Agenda 2010). Es gibt auch heute genug Themen, die es wert wären, die gesamte Bevölkerung einzubinden.
4. Flügelbildung zulassen
Es ist zu beobachten, dass bei den großen Parteien die Flügelbindung und damit die Ansprachen an unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen immer mehr abnimmt. Zwar sind gedeihliche Gespräche zwischen Johannes Kahrs und Ralf Stegner oder Karl-Josef Laumann und Horst Seehofer kaum vorstellbar, aber die inhaltlichen Unterschiede sind doch eher gering.
5. Mehr Präsenz der Abgeordneten im Wahlkreis
Wenn das Wahlrecht zum Vorteil der einzelnen Abgeordneten geändert werden sollte, erscheint auch eine größere und effektivere Präsenz in den Wahlkreisen erforderlich. Das ist bei der Wahlkreisstruktur nicht so einfach, das sollte aber kein Grund sein, nicht etwas zu ändern. Nehmen wir meinen Wahlkreis, dort wohnen etwas über 180.000 Wahlberechtigte in 20 Städten und Gemeinden. In den 6 größten Städte wohnen knapp 75% der Wahlberechtigten. Der direkt gewählte Bundestagsabgeordnete ist zusätzlich in der Stadt, in der er wohnt, stellvertretender Parteivorsitzender, Stadtverordneter und Mitglied im Haupt- und Finanzausschuss. Darüber hinaus gehört er dem CDU-Kreisvorstand als Beisitzer an.
Da gibt es keine einfache Lösung, und schon gar keine individuelle. Die Grünen haben es versucht durch die Trennung von Partei und Amt. Richtig glücklich sind die auch nicht damit.
6. Einbeziehung der Bürger in die Kandidatenauswahl
Die Kandidatenauswahl nach amerikanischen Muster wird in Deutschland wohl nicht funktionieren, aber die aktive Einbindung der neuen Medien wäre doch mal eine Idee. Zurzeit wird versucht, Grundsatzentscheidungen durch Parteigremien abstimmen zu lassen, aber das Kochen im eigenen Brei ist zu wenig zielführend. Die Bürger müssen sehr viel mehr mitbestimmen können, um die Demokratie lebendiger und attraktiver zu gestalten.
7. Einübung direkter Demokratie
Demokratiekritiker fordern immer häufiger die Einführung der direkten Demokratie in Deutschland. Als Beispiel wird immer die Schweiz angeführt. Dazu ist zu sagen, dass die Schweizer selbst nicht mehr so wahnsinnig begeistert von ihrem System sind. Das liegt hauptsächlich an der geringen Wahlbeteiligung. Und wer schon einmal Initiator eines Bürgerentscheides war und bei der Auszählung der Stimmen um das Erreichen des Quorums gebangt hat, kann das nachvollziehen. Man sollte hier experimentierfreudiger sein und die neuen Medien mit einbeziehen. Die Bürger wollen gehört werden, scheuen aber zu viel bürokratischen Aufwand. Deshalb wird empfohlen, über die repräsentativen Umfragen hinaus Bürgerbefragungen im großen Stil durchzuführen. Die Medien reichen von Internetumfragen über geschützte Kurznachrichten ähnlich whatsapp bis zu telefonischen Äußerungen. Wichtig ist dabei, dass anschließend auch entsprechend reagiert wird. Wenn also bei entsprechender Beteiligung und Mehrheit eine Entscheidung getroffen wird, sollten auch erkennbare Maßnahmen folgen.
8. Einbeziehung der modernen Medien in die politische Diskussion
Alle Parteien fordern zurzeit einen Ausbau schneller Netze für ein schnelles Internet. Ich frage mich, was die Regierung damit zu tun hat, es sei denn, es ist eine Forderung für Regierungshandeln. Eigentlich ist das ja eine rein wirtschaftliche Angelegenheit, die sich auch rechnen muss. Wenn nun aber die Regierung fordert, dass das Netz schnell und sicher sein muss, damit Maßnahmen der direkten Demokratie darüber abgewickelt werden können, ist das den Einsatz von Steuergeldern wert. Es müsste dann im Hintergrund noch eine Software vorhanden sein, die die Zählung der Stimmen vornimmt und Doppelabstimmungen verhindert. Alles kein Hexenwerk. Aber was steht auf der politischen Abwehrkanone? Das haben wir noch nie gemacht!! Das haben wir schon immer so gemacht!!! Da könnte ja jeder kommen!!!

Redakteur




23. Mai 2018, 17:54

Politische Kultur

Ich habe heute in der Zeitung gelesen, dass der Innenminister von NRW sich darüber beklagt hat, dass die Richter zu geringe Strafen aussprechen, wenn Polizisten angegriffen werden. Ein Minister sollte wissen, dass Richter im Rahmen ihrer Ermessensfreiheit Gesetze anwenden. Wenn denn nun kein Gesetz besteht, das Polizisten vor Angriffen schützt, ist das nicht die Schuld der Richter. Der Herr Minister wäre aber sehr wohl in der Lage, ein entsprechendes Gesetz auf den Weg zu bringen. Es ist ja mehr als üblich, dass die Exekutive der Legislative einen Vorschlag vorlegt, die Regelungen vorsieht, die die Exekutive zur Erledigung ihrer Aufgaben benötigt. Es hat sich aber inzwischen eingebürgert, dass man zunächst bei einem Missstand die Zuständigkeit, dann die Schuldigen und schließlich die Beteiligten prüft.

Im erwähnten Fall also zunächst die lahmen Richter mit dem zuständigen Justizminister und schließlich die Polizisten vor Ort. Das Ganze gipfelt in der Forderung, die Richter mögen doch einmal mit einem Polizeieinsatz mitfahren. Wie hier geschehen. Dann kommt auch gleich noch das Argument, die Polizisten würden zu schlecht bezahlt. Das kann stimmen, ändert aber nichts an den Angriffen auf Polizeibeamte.

Ich möchte hier keine law and order Diskussion anheizen, aber wenn wir mit Recht von Polizisten einen Schutz der Bürger erwarten, müssen wir politisch auch dafür sorgen, dass sie das tun können. Es war und ist zum Beispiel immer noch ein Problem, Autofahrer vom Trinken von Alkohol abzubringen. Bis 1953 gab es gar keine Promillegrenze, dann 1,5 und 1966 1,3. Es war sehr schwierig, das durchzusetzen. Bis Mitte der 60er Jahre wurde Alkohol am Steuer oft mit einigen Wochen Gefängnis bestraft, die häufig am Wochenende abgesessen werden konnten. Die Wirkung war, dass die Strafen aber auch die Promillegrenze immer weiter reduziert werden konnten. Ab 1968 gab es keine generellen Gefängnisstrafen mehr für Fahruntüchtigkeit aber die Promillegrenze wurde auf 0,8 herabgesetzt.

Natürlich wird sich kein Politiker trauen, ein Gesetz vorzulegen, nach dem Angriffe auf Polizisten obligatorisch mit Gefängnis ohne Bewährung bestraft werden. Z.B. ein Woche, abzusitzen am Wochenende. Ich bin mir sicher, dass die Wirkung erheblich wäre. Aber es ist ja einfacher, Richter zu beschimpfen, weil sie zu lasch sind.

Redakteur




23. Mai 2018, 17:51

Nach der Wahl ist vor der Wahl

Stellt euch vor die Wähler wählen … ja, was wählen wir eigentlich? Parteien? Abgeordnete? Diätenempfänger mit brutal guter Altersversorgung? Besteller einer Regierung? Von allem wahrscheinlich etwas. Um den ersten Satz zu vervollständigen … und keiner will regieren!!!! Ich verstehe das ja. Immer diese Entscheidungen und dann wird man auch noch ausgeschimpft, obwohl man an der Abstimmung gar nicht teilgenommen hat – Grippe.
Nach der Wahl ist vor der Wahl. Ich hoffe, die Mehrheit der Wähler kann sich bei der nächsten Wahl noch erinnern, wer alles lieber auf dem Sofa der Opposition Platz nehmen wollte als auf den harten Regierungsbänken. Die Funktion der Opposition ist kein Wahlziel und die Parteien, die dies formulieren, sollten lieber gleich vor dem Parlament stehen bleiben. Es ist doch paradox, wenn sich Parteien um ein Mandat bewerben und nach der Wahl behaupten, sie müssten in die Opposition, weil das der Wählerwille sei. Ich hoffe sehr, dass die beiden Parteien, die das betrifft, die Quittung bei der nächsten Wahl erhalten. Ich werde jedenfalls alles mir mögliche unternehmen, um zumindest die FDP wieder aus dem Bundestag zu entfernen und die SPD weiter zu schwächen. Die Linke sollte ihre Chance nutzen und sich in Regierungsfähigkeit üben. Da muss auf jeden Fall das Verhältnis zur EU, zu Russland uns zur NATO geklärt werden. Es wäre doch mal etwas, wenn die Leihstimmen der CDU anstatt zur FDP zu den Grünen und der Linken gingen.
Es wurde jetzt häufig vor allem von Vertretern der SPD behauptet, dass eine starke Opposition unverzichtbar für eine Demokratie sei. Als Selbstzweck ist das natürlich Blödsinn und geht völlig an der demokratischen Wirklichkeit vorbei. Viele Vorhaben werden im Bundestag und in den Ausschüssen einstimmig beschlossen. Natürlich sind bei der Einstimmigkeit oft auch die Vorstellungen der Opposition berücksichtigt, aber dafür muss man sich vor der Wahl nicht als Opposition bewerben oder nach der Wahl dafür einteilen. Eine starke Opposition ist ebenfalls als Kontrollorgan sehr wichtig und in den Anfängen von Grünen und Linken wurde vor der Wahl die Regierungsunwilligkeit erklärt und für ein sehr spezielles Programm in der jeweiligen Zeit geworben. Aber Parteien, die sich vor der Wahl für die Regierung bewerben und dann auch noch wie in einem Fall einen Kanzlerkandidaten benennen und hinterher behaupten, ihre Wähler hätten sie zur Opposition aufgefordert, muss man als realitätsfremd bezeichnen.
Wie schrieb Jasper von Altenbockum in FAZ.NET so treffend: Die Kehrtwende in Richtung GroKo fühlt sich an, als ob man seinen Urlaub umbuchen müsste: von Jamaika nach Würselen.
Wie wahr, anstatt frischem Wind mit dem Ringen um den besten Weg bekommen wir wieder Fehlervermeidungsstrategien gewürzt mit packendem Mikado: wer sich bewegt, hat verloren. Schade, eine Chance wurde verpasst. Die Geschichte wird zeigen, ob es tatsächlich der Egotrip des Herrn Lindner war oder ein CDU Komplott mit Hilfe des genannten Herrn oder die hinterlistige Rache des Herrn Seehofer oder ganz einfach Unvermögen in der Verhandlungsführung. Man darf gespannt sein.

Redakteur




23. Mai 2018, 17:50

Die Stunde des Parlaments

Das Scheitern der Sondierungsgespräche zur Bildung einer Koalition innerhalb des 19. Deutschen Bundestages erstaunt zunächst, weil immer davon ausgegangen wird, dass alle Parteien vom Postenverteilen profitieren wollen. Gleichzeitig löst der Vorgang aber auch Entsetzen aus, weil eine oder alle beteiligten Parteien das Parteiwohl und/oder –interesse anscheinend vor das Wohl des Staates setzen.
Was bedeutet die Situation nun demokratietheoretisch? Die Neuwahl wäre sicherlich die schlechteste Lösung, weil so dem Wähler signalisiert wird, er habe einen kollektiven Fehler gemacht, den er im zweiten Gang nachbessern müsse. Eine andere Konstellation für eine Koalition wäre ähnlich schlecht, da die Regierungskoalition der 18. Legislaturperiode von 67,2% der Stimmen auf 53,5% und bei den Sitzen von 79,9% auf 56,3% zurückgefallen ist und eine andere vierer Koalition unter Führung der SPD mit Grünen, Linken und FDP nicht denkbar ist, allerdings rechnerisch auf 52% der Sitze käme. Oft werden die Varianten durch den Wählerwillen begründet. Gibt es so etwas wie den Wählerwillen? Im Kollektiv bestimmt nicht. Es bleibt eine Erfindung der Meinungsforscher. Das konnte man erkennen, als zunächst die Zustimmung zu einer Viererkoalition unter Führung der CDU angeblich über 70% lag und mit fortschreitender Verhandlungsdauer und je nach Auftraggeber recht schnell auf rund 50% sank.

Kann es sein, dass der Wähler das ganze Parteiengeschachere und die nichtöffentlichen Absprachen mit dubiosen Ausgängen nicht will? Kann es sein, dass der Wähler will, dass seine Vertreter im Bundestag mehr Einfluss gewinnen? Die meisten Wähler glauben tatsächlich, dass die Abgeordneten die Bestimmer sind. Leider weit gefehlt. Im Prinzip sind es in öffentlichen Gremien immer die Eliten, die die Richtung angeben. Leider kennt man sie kaum oder nur die, die die Selbstdarstellung pflegen. Haben wir jetzt eine Stunde des Parlaments? Wer geht voran. Frau Merkel fehlt die Fantasie, Herr Lammert hat sich in den Schmollwinkel zurückgezogen. Bleibt als Hoffnungsträger Herr Schäuble, der hat Einfluss, ist frei von persönlichen Eitelkeiten und muss nichts mehr beweisen.
Wie könnte es gehen? Ich schlage keine Minderheitenregierung sondern eine Allparteienregierung vor. Frau Merkel wird zur Bundeskanzlerin gewählt und sucht ihre Minister aus allen Parteien aus, vielleicht sogar unter den rechten Schmuddelkindern. Letzteren vielleicht ein Zuwanderungsministerium. FDP, Grüne und Linke würden je 2 Minister erhalten, die SPD 6 und die CDU/CSU die Kanzlerin und 8 Minister. Wir haben heute zwar nur 14 Ministerien, aber über 20 entsprechende Ausschüsse, so dass eine entsprechende Gliederung hinzukriegen wäre. Im Zweifel kann man den 4 kleinen (inkl. CSU) auch nur einen Posten geben.

Den meisten künftigen Amtsträgern ohne Regierungserfahrung wird es gehen, wie Herrn Trump, und das ist gut so. Ich hoffe nur, dass der Blindflug schneller aufhört. Was wäre das Ergebnis dieser durchaus unkonventionellen Idee? Keine Partei oder Koalition müsste „seine“ Regierung stützen und die Abgeordneten bekämen eine ungewohnte Entscheidungsfreiheit, mit der sie zunächst lernen müssten, umzugehen. Ich habe mal ein ähnliches Experiment auf kommunaler Ebene gemacht und den Vorwurf erhalten, jetzt wisse man gar nicht mehr, wann man den Arm heben müsse. Dazu noch die Erklärung für die Bedenkenträger: in einer Legislaturperiode werden im Bundestag weniger als 1.000 Rechtsakte beschlossen. Das ist im Durchschnitt etwa einer pro Tag. Dieser Tag sollte ausreichen, um so viele Informationen einzuholen, die zur Entscheidung nötig sind.
Ich find es sehr schade, dass auch diese Idee ungehört verhallt, aber ich fühle mich jedenfalls besser.
Noch ein Wort zur FDP. Sie begeht den gleichen Denkfehler wie die SPD, wenn sie glaubt, sie könne ihre Vorstellungen eher außerhalb der Regierung durchsetzen. Aus der Opposition hat noch nie eine Partei etwas gestalten können. Mit der SPD liegt es noch etwas anders, die muss nämlich in die Reha. „Wann wir schreiten Seit´an Seit´„ enthält für die heutige Zeit doch einige Dissonanzen und der Spiegel lästerte schon 2003 „Ein Lied kann eine Krücke sein“. Die angestrebte Erneuerung erscheint auch dringend geboten, sonst geht es der SPD wie der FDP, von der heute deren Wähler glauben, das sei die Privatarmee von Herr Lindner, dem Herr Kubicki ab und zu etwas zuflüstert.

Man hört immer wieder offen oder unterschwellig die Forderung „Die Merkel muss weg!“ Alle, die das fordern oder denken, haben aber keine Idee, wer es werden sollte und hoch weniger für eine Alternative getan. Solange die CDU/CSU stärkste Partei ist, kommt keiner an ihr vorbei. Wer stünde alternativ zur Verfügung? Frau Klöckner, Herr Seehofer, Herr Bouffier, Frau Kramp-Karrenbauer, Herr Laschet, Herr Tillich, Frau von der Leyen, Herr Günther. Alles ehrenwerte Leute und wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand.
Ich komme aus einer Zeit, da konnte man nur gehen oder befördert werden, wenn man seinen Nachfolger präsentieren konnte. Frau Merkel, setzen Sie sich ein noch größeres Denkmal als schon jetzt und bilden Ihren Nachfolger gezielt heran.

Redakteur




23. Mai 2018, 17:48

Politische Korrektheit

Die Beurteilung, was politisch korrekt ist und was nicht, ist eine willkürliche Zensurmethode, mit der Minderheiten versuchen, Einfluss auf die politische Debatte zu nehmen. Wer entscheidet, dass ich geil, Scheiße, Arschloch oder ficken öffentlich sagen oder schreiben darf, aber Neger, Schwarzer, Negerkuss, Mohrenkopf oder Zigeuner nicht? Warum muss ich, um politisch korrekt zu sein, in wissenschaftlichen Arbeiten immer die weibliche Form eines Begriffes ergänzen, wenn das möglich ist? Wenn ich also Bürger oder Einwohner schreibe, muss ich BürgerInnen oder Einwohner(innen), schreiben, weil unterstellt wird, dass ich sonst nur die männliche Form meine.
Neben diesen formalen Vorschriften, die außer im universitären Bereich nirgendswo festgeschrieben sind, gibt es auch inhaltliche Sachverhalte. So kann ich gegen das Christentum polemisieren, weil der Papst die Pille verbietet und Luther Antisemit war, andererseits gilt Kritik am Islam als fremdenfeindlich. Kritik am Euro wird als reaktionär und nationalistisch angesehen. Müssen Kinderbücher wie Jim Knopf oder Pipi Langstrumpf tatsächlich umgeschrieben werden, weil sie „schlimme“ Worte wie Neger u.ä. enthalten? Ist Pipi an sich nicht auch zweideutig?

Sprache wandelt sich, das haben wir zuletzt erlebt bei der Rechtschreibreform (Schifffahrt kann ich immer noch nicht verstehen), aber zu allen Zeiten ist man mit den Veränderungen liberal umgegangen. Ich kann damit leben, als ungebildet zu gelten, wenn ich die alte Rechtschreibung benutze. Nicht damit leben kann ich, dass bei der Nutzung von Begriffen in der alten Bedeutung eine politische Absicht unterstellt wird. Das geht dann nahtlos in Zensur über und wird von einigen Gutmenschen versucht. Das sind oft die gleichen, die wahrheitswidrig an ihren SUV den Sticker „Hybrid“, dem angeblich meist verkauften Zubehör laut Focus.

Wir sollten uns nicht alles gefallen lassen, auch und gerade Schweigen ist mitunter ein Ergebnis der Zensur. Alternativlose Politik ist genau so ein Unsinn wie eine Überintellektualisierung von Politik wie z.B. im Falle der EU. In einer informierten Gesellschaft fällt es den Eliten immer schwerer, ihre Forderungen durchzusetzen. Also greifen sie zum Mittel der Verkomplizierung, für Rechtsakte der Europäischen Union gibt es 64 im EU-Vertrag festgeschriebene Entscheidungsarten und 358 Entscheidungsmöglichkeiten (dokumentiert in den Auswertungen nach dem Blog).
Ich bin ein alter, konservativer Knochen, aber es gibt Grenzen, bei denen man sich wehren muss. Alle Vergleiche hinken, aber ich habe ein ähnliches Gefühl der Verkrustung wie 1968ff. Wir müssen ja keine Weltrevolution anstreben, aber Meinungsäußerungen im Kleinen laut und deutlich sind erforderlich. Ich versuche es im Kleinen, vielleicht macht jemand mit. Im Gutachten zu meiner Dissertation über das Demokratiedefizit der EU steht, dass man stellenweise den Eindruck einer Streitschrift hätte. Ich kann heute sagen, dass das gewollt war. Lasst uns in diesem Sinne streiten.

Redakteur




23. Mai 2018, 17:47

Wunschzettel für die Koalitionsverhandlungen zur Bildung einer Bundesregierung 2017

Dies ist ein weiterer Versuch, um eine Diskussion über demokratische Fragen in Gang zu setzen. Bisher kann ich nicht feststellen, ob es daran liegt, dass niemand den Blog liest oder dass die Themen nicht attraktiv sind. Bis zum Beweis des Gegenteils mache ich dennoch weiter.

Ich hoffe, dass viele meiner Vorstellungen auf große Resonanz stoßen würden, wenn sie denn gelesen würden, aber die zuständigen Politiker höre ich schon mit der Ablehnung, weil das alles gar nicht geht. Wenn man bedenkt, was alles schon ging, obwohl es unmöglich schien, kommt es darauf an, Mehrheiten zu organisieren, die Politiker zum Nachdenken bringen. Wir müssen endlich raus aus dem Reparaturbetrieb und uns neuen Lösungen nähern. Die Demokratie muss wieder attraktiv werden, damit erkennbar wird, dass sich möglichst viele an den Diskussionen um die Entscheidungsfindung beteiligen können und die Interessen der Mehrheiten berücksichtigt werden und nicht die derjenigen, die die besten Lobbyisten haben. Ich erspare es mir, die zahlreichen Beispiele erneut aufzuführen. Sie sind Legion.
In Politik und Wirtschaft wird über die Industrie 4.0 diskutiert. Wie wäre es, wenn man in grundsätzlichen Lebensfragen mal mit Politik 1.0 anfängt? Vor über 15 Jahren war ich regelmäßig Wahlhelfer mit Zettel und Stift. Daran hat sich nichts geändert. Vorübergehend eingeführte „Wahlmaschinen“ haben sich angeblich nicht bewährt. Warum trauen sich Politiker nicht, die Bürger, die sie angeblich vertreten, regelmäßig zu befragen. Nicht repräsentativ und mal so, sondern ernsthaft, direkt und mit Wirkung? Der Ruf nach Volksbefragungen ist mir zu populistisch und verfrüht. Wir sollten vorher üben, wie man die Wünsche und Vorstellung der verschiedenen Gruppen national und international berücksichtigt. Das ist mein erster Wunsch, und der nicht nur auf nationaler Ebene, aber auch da ist eine grundlegende Wahlrechtsreform dringend erforderlich. Die Bedeutung der Parteien geht immer mehr zurück, nur beim Wahlrecht dominieren sie. Der einzelne Abgeordnete muss wieder an Bedeutung gewinnen, dann brauchen wir nach dem chinesischen und europäischen Parlament nicht das drittgrößte der Welt. Die Wahl zum Europäischen Parlament ist ein Graus und muss dringend geändert werden. Ich habe dazu Ausführungen in meinem Buch „Das Demokratiedefizit der EU nach dem Vertrag von Lissabon“ gemacht.

Mein zweiter Wunsch befasst sich mit der Umwelt, der Landwirtschaft, dem Verkehr und der Energie. Diese Politikfelder tragen neben der Verschiebung der Erdachse auch zur Klimaverschiebung bei. Wichtiger ist mir jedoch die Erhaltung unserer Lebensgrundlagen. Die Erderwärmung lässt sich im gewissen Rahmen technisch managen, die Zerstörung unserer Grundlagen durch maßlose Ausbeutung der Ressourcen nicht oder nur sehr begrenzt.
Beginnen wir mit der Energie. Es ist bekannt, dass nur etwa 3 Stunden Sonnenenergie, die auf die Erde trifft, ausreicht, um den Energiebedarf der derzeitigen Erdbevölkerung zu decken (http://www.messerschmid-energiesysteme.de/warum-sonnenenergie.php). Die Strahlung ist nicht überall und gleich stark usw. Die Staaten, die Erdöl und Erdgas unter ihrer Erde haben, haben auch nicht gewusst, dass sie mal zu den Reichsten der Erde gehören würden. Es gibt nun Länder mit mehr Sonne haben als sie benötigen, können die Energie aber weder speichern noch nutzen. Ich bin fest davon überzeugt, dass der Energiespeicher der Zukunft der Wasserstoff sein wird. In Verbindung mit Aufwindkraftwerken könnte Wasserstoff per Elektrolyse günstig hergestellt werden. Zum Transport benötigt man Lastenzeppeline. Die brauchen keine teure Landebahn und können (fast) überall hin. Die bringen zum Beispiel das Wasser in die Wüste zum Aufwindkraftwerk und nehmen den Wasserstoff und den Sauerstoff mit.
Mit dem Wasserstoff würde auch die Zukunft der Verbrennungsmotoren gesichert mittels der Brennstoffzelle. Das Problem der verstopften Straßen allerdings nicht. Ein wesentliches Problem ist der LKW-Verkehr, vor allem der, der als rollendes Ersatzteillager genutzt wird. Ich bin daher der Meinung, dass der Schwerlastverkehr zu 90% auf die Schiene, das Schiff und den Lastenzeppelin verlegt werden muss. Das schont die Umwelt und verringert die Energieverschwendung.
Schließlich die Landwirtschaft. Sie ist zu einem Industriebetrieb mit Gewinnmaximierung verkommen und produziert nebenbei 40% der Umweltschäden, wie Kritiker meinen. Der Landwirt war über Jahrhunderte der Bewahrer der Natur mit Fruchtfolge auf den Äckern und Tierzucht in den Ställen. Heute scheint das alles keine Rolle mehr zu spielen. Viele Landwirte leiden selbst am meisten und würden vieles ändern, scheitern aber oft an ökonomischen Belangen. Sie geben lieber der Betrieb auf, ehe sie sich unethisch verhalten. Das Hauptargument ist häufig, dass der Verbraucher das so will, weil er die Preise drückt. Ist das so? Da kann ich nur sagen Politik 1.0 Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Anzahl der Bauernhöfe subventioniert, die nötig waren, um die Bevölkerung zu ernähren. Das spielt heute keine Rolle, da werden die Kartoffeln eben aus Südafrika eingeflogen, gleich neben den Rosen.

Mein dritter Wunsch bezieht sich auf Finanzen und Soziales. Wenn man sich die öffentlichen Ausgaben vor allem in Deutschland ansieht, hängt beides eng zusammen. Beides muss vereinfacht und transparenter werden. Über einen Vorschlag zur sozialen Gerechtigkeit und die Lösung der Rentenfrage mit einem bedingungslosen Grundeinkommen als Basis habe ich bereits am 02.07.2017 geschrieben. Über die 40 Steuerarten habe ich am 29.07.2017 berichtet. Eine Vereinfachung bedeutet per se immer mehr Gerechtigkeit. Die deutsche Steuergesetzgebung ist so kompliziert, dass kein Land mehr Literatur zu dem Thema hat als wir. Es eröffnet ebenfalls Möglichkeiten der Umgehung, denn einfache Lösungen sind klar und nicht zu umgehen. Wenn die Voraussagen zutreffen, werden in absehbarer Zeit viele Tätigkeiten, die heute von Menschen verrichtet werden, von Robotern erledigt. Wie wird der Mehrwert besteuert? Gibt es eine Maschinensteuer? Darüber sollte beizeiten nachgedacht werden. Es macht nämlich nicht viel Sinn, das bedingungslose Grundeinkommen durch indirekte Steuern gleich wieder massiv zu reduzieren. Ich hoffe, dass sich Experten, die mehr zu dem Thema zu sagen als ich, darüber Gedanken machen.

Der vierte Wunsch ist in den Kapiteln über die Verteidigungspolitik und die Flüchtlingspolitik am 22.07. und 21.08.2017 bereits gestreift worden, so dass die Vorstellungen dort als Diskussionsgrundlage genügen sollten.

Schließlich möchte ich in meinem fünften Wunsch noch etwas zur Europäischen Union sagen, da diese mir besonders am Herzen liegt. Zwar kann ein Land allein nur wenig bewirken, aber wenn ein Land wie Deutschland klare Vorstellungen entwickelt, gibt es zumindest eine Grundlage für die Meinungsbildung. Wir haben zurzeit die schwächste Kommission seit langem, so dass von dort keine Impulse zu erwarten sind. Man ist mit dem Brexit derart überfordert, dass außer Sprechblasen keine Ideen entwickelt werden. Zunächst muss die Grundaussage über die längere Zukunft der EU entwickelt werden. Zurzeit feiert der Intergouvernementalismus, der nach dem Vertrag von Lissabon überwunden schien, große Erfolge. Ist das gewollt? Was unterscheidet dann die EU von allen anderen zwischenstaatlichen Bündnissen? Die gemeinsame Währung ist in großen Schwierigkeiten, wird nicht in allen Mitgliedsländern genutzt und droht zu zerbrechen. Übermäßige Staatsverschuldung durch Inflation zu bekämpfen, funktioniert nicht oder nur dann, wenn man eine Währungsschnitt macht. Kommt es dazu, zerbricht der Euro. Die nationalen Staatshaushalte sind auch nicht durch einen europäischen Finanzminister zu retten. Das Einzige, was helfen könnte, wäre eine Refinanzierung der Mitgliedstaaten ausschließlich über die Europäische Zentralbank. Da das aber zu föderal wäre, kommen solche Überlegungen im Staatenbund nicht in Betracht.
Der weitere Bereich, der neben der Währung noch verbindet, ist das Grenzregime, das seit längerer Zeit gar nicht mehr funktioniert. Zwar müssen Ausnahmen bei der EU beantragt werden, aber bisher ist von einer Ablehnung noch nie etwas gehört worden. Von der Sicherung der Außengrenzen ganz zu schweigen. Viel zu lange ist das als die Angelegenheit der Länder angesehen worden, die das Pech hatten, eine Außengrenze der EU zu haben. Intergouvernementalismus eben. Jedem das Seine, und mir das Meiste.
Schließlich noch die Akzeptanz der EU von den BürgerInnen und den meisten Mitgliedstaaten. Solange die BügerInnen keine klare Vorstellung haben, was die EU eigentlich bewirkt, kann es auch keine Bindung geben. Solange nur witzige Vorschriften wie die Bananen- und Gurkenkrümmung in der Presse kolportiert werden, wird es in Verbindung mit den aufgezeigten Mängeln kein echtes EU-Feeling geben. Ich bin daher der Meinung, dass alle von der EU getroffenen Entscheidungen national kenntlich gemacht werden müssen. Gleichfalls die jährlich über 1.000 Verstöße gegen EU-Recht. Die wenigsten Verstöße sind übrigens Terminüberschreitungen und Deutschland liegt jedes Jahr ganz weit vorn. (http://europa.eu/rapid/​press-release_IP-16-2245_de.htm)
Über das Ärgernis des fehlenden Wahlrechts zu EU Parlaments habe ich bereits berichtet. Aber auch der geringe Einfluss des EP auf die Rechtsakte mit unter 10% zeigt, dass die EU noch meilenweit von einem demokratisch organisierten Staatenverbund entfernt ist. Welche Zukunft ist geplant und welche bekommen wir?

Redakteur




23. Mai 2018, 17:45

MEDEA oder Wir müssen unsere Erkenntnisse nutzen

Ich habe gerade die Dokumentation "Die Klima-Spione" über das Projekt MEDEA gesehen. (https://www.arte.tv/de/​videos/063630-000-A/die-klima-spione/) Da fiel der Satz "Der Mensch braucht die Natur, aber die Natur braucht den Menschen nicht." Wie wahr. Kurz darauf las ich einen Bericht über den starken Rückgang der Insektenpopulation, was sich für die Nahrungskette auswirken wird.
Was kann der Einzelne tun? Ist alles wirklich vom Menschen gemacht oder sind wir in erster Linie doch die Opfer? Ich weiß es nicht. Aber eins ist sicher: ein Weiter-so ist nicht zielführend. Die, die für ein Weiterspielen der Kapelle wie auf der Titanic sind, dürfen nicht die Oberhand gewinnen.
Im Rahmen des MEDEA-Programms erhielten ab 1995 rund 70 amerikanische und russische Wissenschaftler den Zugang zu streng vertraulichen militärischen Satellitenbildern und Messergebnissen. Das Projekt wurde inzwischen eingestellt, die Dokumentation lief aber „versehentlich“ weiter, so dass die letzten 25 Jahre sehr genau beurteilt werden können. Noch einige Statements aus dem Film: „Bis Mitte des Jahrhunderts müssen etwa 100 Mio. Einwohner in Bangladesch umgesiedelt werden, da der Meeresspiegel steigt.“ „Der Meeresspiegel steigt nicht überall, da der Meeresboden ständig in Bewegung ist. In Nord- und Mitteleuropa steigt das Festland nach wie vor aufgrund des verschwundenen Eises aus der letzten Eiszeit.“ „Russland besteht zu 69% aus Permafrostboden, der sich nicht nur in einen Sumpf verwandeln wird, sondern große Mengen von Methangas, das schädlicher ist als CO2, freisetzen wird.“
Und last but not least: „Es ist eine typische Eigenschaft von Demokratien, erst zu handeln, wenn die Katastrophe eingetreten ist.“ Und „Lösungen lassen sich nur im großen internationalen Stil erreichen.“
Ist die Demokratie tatsächlich zu schwach, um diese existenzielle Bedrohung zu beseitigen? Reichen da Fahrverbote und die Schließung von Kohlekraftwerken? OK, besser als nichts aber leider völlig wirkungslos. Die Zahlen schwanken, aber sicher ist, dass der Anteil der Menschen an der Produktion von Treibhausgasen unter 5% liegt. Warum fangen wir nicht mit einer sehr breit angelegten Analyse an, um die wahren Gründe zu finden? Wir arbeiten heute an Lösungen, die mit Sicherheit nicht zum gewünschten Ziel führen, sind aber zufrieden mit einer vagen Absichtserklärung. Die Wirtschaft zeigt uns, was Globalisierung ist. Viele verteufeln das, anstatt es zu nutzen. Es ist ja lobenswert, dass es immer wieder Initiative im Internet gibt, die wichtige Fragen thematisieren und dann 500.000 oder auch 2 Mio. Unterstützer zusammenbringen. Leider bringt das zu wenig.
Wie bringen wir eine wirklich riesige internationale Mehrheit zusammen, die politisch etwas bewirkt? Noch ein Problem: die Eliten, die Veränderungen herbeiführen könnten, werden mit ihren Möglichkeiten locker mit den künftigen widrigen Umständen klar kommen. Warum sollen sie dann etwas ändern?

Ich glaube, ich werde irgendwann einen Ideenwettbewerb ausschreiben. Wir brauchen einen Nobelpreis für die Zukunft und nicht nur für die Vergangenheit.

Redakteur




23. Mai 2018, 17:43

Nachlese Bundestagswahl 2017

Gerade habe ich bei Facebook einen Satirebeitrag des NDR mit dem Titel Säxit gesehen. Es ist natürlich wohlfeil, Menschen dazu zu überreden, dass es für Sachsen besser wäre, aus Deutschland auszutreten. Bedenklicher erscheint mir schon ein Kommentar unter dem Beitrag: Demokratie ist Scheiße, ich will was besseres.

Zunächst zu Sachsen. Ich bin in Sachsen geboren und daher nicht frei von Emotionen beim Säxit. Wenn man das, was da in Sachsen passiert, demokratietheoretisch betrachtet, kann Sachsen nur als vorbildlich dargestellt werden. Es gibt eine außerparlamentarische Opposition, deren Wirken inzwischen in mehrere Parlamente hineinreicht. Mir gefällt das Gedankengut und die Belärmung von politischen Veranstaltungen auch nicht. Aber da gibt es BürgerInnen, die für Ihre Überzeugung auf die Straße gehen, auch wenn die Ansichten oft auf Irrtümern beruhen. Das ist in Zeiten, in denen die Regierungskoalition im Deutschen Bundestag eine Mehrheit von fast 80% hat und fast jede Entscheidung als alternativlos dargestellt wird, nicht verwunderlich. Leider wird der Erfolg ausbleiben, weil entweder die Argumente fehlen oder die Durchschlagskraft. Da war die APO nach der ersten großen Koalition Ende der 60er Jahre bis in der 80er schon sehr viel heftiger, übrigens nicht nur, was die Gewalt betraf sondern auch in den politischen Forderungen.

Was ist zu tun, um diese demokratisch fehlgeleiteten BürgerInnen von dem Spruch abzubringen: Demokratie ist Scheiße. Das Einfachste wäre natürlich die Frage: Wie hätten Sie es denn gern? Viele Demokratiegegner sehnen sich nach dem guten Diktator, der einem sagt, wo es lang geht und der in meinem Sinne entscheidet. Da bräuchte ich keine Angst mehr zu haben, dass die vielen Menschen, die dümmer sind als ich, eine falschen Entscheidung treffen. Falsch im Sinne von gegen meine Interessen. Dass das in die Irre führt, liegt auf der Hand, außerdem hätte der Diktator nicht 80% sondern 100% der Entscheidungsmacht. Andere rufen nach mehr direkter Demokratie. Die aktuellen Wählerentscheidungen unter demagogischen Einflüssen wie in den USA, Ungarn und Großbritannien dämpfen die Euphorie. Auch das immer wieder angeführte Beispiel der Schweiz verblasst angesichts der geringen Wahlbeteiligung und der mitunter schwer verständlichen Entscheidungen.

Schon Aristoteles war der Demokratie gegenüber sehr skeptisch und nannte sie die Herrschaft der Armen. Sein Vorschlag war eine Mischung aus Oligarchie und Demokratie, und er nannte es Politie. Ich würde gern ein System zur Diskussion stellen, in dem die Gewaltenteilung modifiziert wird und die Macht der Parteien zurückgeht. Beides ist de facto bereits so. Die Regierungsmehrheiten und die Regierungen verhandeln immer häufiger im nichtöffentlichen Raum. Von den im Bundestag eingebrachten Gesetzesvorhaben wurden z.B. durchgängig über zwei Drittel von den Exekutiven vorgeschlagen. Von dem Drittel der Legislative wurden zwei Drittel von der Opposition eingebracht und im Plenum abgelehnt.
(https://www.bundestag.de/​blob/196202/​3aa6ee34b546e9ee58d0759a0cd7​1338/​kapitel_10_01_statistik_zur_​gesetzgebung-data.pdf und https://www.bundestag.de/​blob/194870/​de4a3764064650dafc6c741151fe​df23/gesetzgebung_wp18-data.pdf )
Bei der EU ist das Verhältnis noch graverender. Da kann nur die Kommission auf Grund des Initiativmonopols Vorschläge unterbreiten. Die Räte und das Parlament nehmen von Ihrem Vorschlagsrecht an die Kommission so gut wie keinen Gebrauch.
Die sinkende Macht der Parteien zeigt sich am Mitgliederschwund und der teilweisen Überalterung. Wenn man sich unabhängig von Parteien die Diskussionen in den sozialen Medien ansieht, findet man dort interessierte auch junge Leute, die allerdings mitunter schlecht informiert sind. Auch die Artikulationen sind mitunter gewöhnungsbedürftig.

Nun lässt sich eine Lösung nicht auf einer halben Seite abhandeln, aber grob skizziert, sollte man darüber nachdenken, die Legislative und die Exekutive zusammenzulegen und daraus eine Oligarchie zu machen, ohne Checks und Balances zu vernachlässigen. Zur politischen Willensbildung, Meinungsäußerung und zu Abstimmungen werden alle Medien, vor allem die sozialen Medien genutzt. Die Judikative und die intermediären Strukturen erhalten eine noch größere Bedeutung.

Redakteur



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